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Tabakmanufaktur "Christo" Tabakmanufaktur "Christo": Handgedrehte Zigarren aus Bad Lobenstein

Von Andreas Göbel 09.02.2014, 18:43
Simone Oßwald muss sehr genau arbeiten, damit das Deckblatt die Zigarre perfekt umschließt.
Simone Oßwald muss sehr genau arbeiten, damit das Deckblatt die Zigarre perfekt umschließt. Andreas Göbel Lizenz

Bad Lobenstein/MZ - Der würzige Duft von getrockneten Tabakblättern ist das Erste, was dem Besucher am Arbeitsplatz von Simone Oßwald und ihren Kolleginnen in der kleinen Zigarrenmanufaktur „Christo“ in Bad Lobenstein auffällt. Vorgebeugt sitzt die junge Frau an einem Holztisch und rollt mit großem Geschick eine mächtige Zigarre in ein dunkles Deckblatt, während am Ende des Raums ihre Kollegin Kathrin Albrecht per Hand an einer einfachen Vorrichtung mit dem Wickeln der Zigarren beschäftigt ist.

„Es hat lange gedauert, bis wir den Kniff raus hatten und die Stücke wirklich perfekt waren“, sagt Oßwald mit einem Lächeln. Aber nach sieben Jahren bei der Zigarrenmanufaktur sitzt jeder Handgriff. Doch wie kommt es überhaupt, dass im thüringischen Bad Lobenstein, weit weg vom Heimatland des Tabaks, ein Unternehmen mit handgemachten Rauchprodukten an den Markt geht?

In Deutschland gibt es nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen rund 676 Werkstätten, die etwa 292 000 Mitarbeiter beschäftigten. Unterstützt werden diese von rund 70 000 Fachkräften. Große Träger dieser Einrichtungen sind die Caritas, die Diakonie, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Lebenshilfe. Die Werkstätten sind etwa im Büroservice, im Gartenbau oder im Möbelbau tätig. Einige arbeiten auch als Autozulieferer. In Sachsen-Anhalt gibt es 33 Behindertenwerkstätten, die rund 12 000 Mitarbeiter beschäftigen. Die Behinderten erhalten neben Sozialleistungen ein Gehalt für die geleistete Arbeit. Dieses fällt zumeist aber sehr niedrig aus.

Die Caritas Behindertenwerk GmbH Burgenlandkreis kaufte 2012 den insolventen Schokoladen-Hersteller Rotstern im thüringischen Saalfeld. So wurde die Fortführung der Traditionsfirma, für die das Behindertenwerk arbeitet, gesichert.

„Die Idee entstand, als der damalige Kaufmännische Direktor des Christopherushofes Bad Lobenstein, Norbert Hetterle, im Urlaub auf Gran Canaria Zigarrenmachern über die Schulter schaute“, erinnert sich der Leiter der Lobensteiner Werkstätten, Dieter Adler, an die ersten Jahre. „Als er zurückkam, brachte er die Idee mit, hier wieder eine kleine Zigarrenproduktion aufzubauen.“ Denn eigentlich hat dieses Geschäft in Bad Lobenstein eine jahrzehntelange Tradition: 1850 hatte Carl Friedrich Gottlob Schmidt die Produktion aufgenommen und ein florierendes Unternehmen mit 2 000 Beschäftigten geschaffen. Erst 1972 wurden die „Werkfleiß“-Produktionsstätten geschlossen, bis dahin waren die Zigarren vielen Rauchern ein Begriff.

In Deutschland haben große Firmen wie Dannemann oder Arnold Andre dem Zigarrenverband zufolge nur relativ wenig Marktanteil. Die Zigarrenherstellung wird bis heute in der Bundesrepublik von mittelständischen Familienunternehmen dominiert. Nur etwa 20 Prozent der in Deutschland gerauchten Zigarren sind Importe, die vor allem aus den Niederlanden, Belgien und Dänemark stammen. Im Premiumsegment kommen die meisten Importe aus Kuba, der Dominikanischen Republik, Honduras und Nicaragua.

Ein großer Thüringer Zigarren-Hersteller half zunächst bei ersten Kontakten zu Tabakhändlern. Nachdem alle nötigen Formalitäten - unter anderem mit dem Zoll - geklärt waren, konnte die Produktion 2005 beginnen. „Wir hatten das Glück, dass wir noch Kontakte zu einigen der früheren Lobensteiner Zigarrenmeistern herstellen konnten“, sagt Adler. „Die haben unseren Mitarbeitern alle nötigen Handgriffe beigebracht. Bis zu einem Jahr dauert es, bis man das richtig kann.“ Dass das Zigarrenrollen in der Tat eine Wissenschaft für sich ist, merkt man schnell, wenn man den Frauen bei ihrer Arbeit über die Schulter schaut. „Man braucht Geduld und Fingerspitzengefühl“, sagt Oßwald. „Die Zigarre darf nicht zu straff oder zu locker oder zu trocken sein.“ Neben den ursprünglich produzierten Zigarren mit Sumatra-Deckblatt wurde das Sortiment mit den Jahren auch um Exemplare mit Brasil-Deckblatt erweitert. „Die sind kräftiger im Geschmack und eher etwas für regelmäßige Zigarrenraucher“, erklärt Gruppenleiterin Kerstin Schenck. Etwa 10 000 handgedrehte Zigarren werden im Jahr produziert und bundesweit verkauft. Verglichen mit den großen Wettbewerbern, die Zigarren maschinell herstellen, ist dies sehr wenig.

Doch die Manufaktur trotzt dem bundesweiten Trend: Denn anders als im „Big Business“ gehen die Verkaufszahlen der Lobensteiner seit Jahren stetig nach oben. Davon können die Konkurrenten nur träumen, sinkt der Zigarrenkonsum in Europa doch stetig. Zum Vergleich: Während 1950 allein in Westdeutschland einem Sprecher des Deutschen Zigarrenverbands zufolge noch fast sechs Milliarden Zigarren pro Jahr konsumiert wurden, gingen im vergangenen Jahr in ganz Deutschland nur etwa 1,1 Milliarden Stück über die Ladentheken. Zwar hat sich der Konsum in den vergangenen Jahren stabil gehalten, 2013 war der Umsatz in Deutschland aber nochmals um vier Prozent gesunken. Unter anderem hatten den Experten zufolge der lange Winter, der schlechte Frühling und die Rauchverbote die Umsätze schrumpfen lassen.

Ein Punkt für den Erfolg der Lobensteiner ist der Umstand, dass die Zigarren in einer der Behindertenwerkstätten des evangelischen Trägers Diakonie hergestellt werden. „Unter normalen Geschäftsbedingungen wäre ein solches Projekt heutzutage wohl kaum möglich“, so Adler. Die Werkstatt schreibe aber schwarze Zahlen. „In der Anfangsphase war es immer mal wieder fraglich, ob wir weitermachen“, sagt er. „Gottseidank haben wir uns fürs weitermachen entschieden.“