Diskussionen um Zerschlagung Supermarktkette Kaiser's Tengelmann : Krisentreffen soll Zerschlagung und Stellenabbau verhindern

Berlin - Die Rede ist von einer letzten Chance, um die Zerschlagung der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann (KT) und das Kappen von tausenden Stellen noch zu verhindern: Bei einem Spitzentreffen am Donnerstag wollten Gewerkschafter und Manager im Kampf um die Zukunft des Unternehmen noch einmal über einen Kompromiss verhandeln – ursprünglich wollte Edeka alle rund 450 Filialen und die knapp 16000 Beschäftigten komplett übernehmen.
Ohne Einigung droht Veräußerung ab Freitag
Mit am Tisch saßen auch Vertreter der Handelsketten Rewe, Markant und Norma. Gibt es keine Einigung, will die Eignerfamilie um Karl-Erivan Haub bereits am Freitag damit beginnen, FKT-Filialen einzeln oder in Paketen an verschiedene Investoren zu veräußern. Dabei würden vor allem Standorte in NRW und Berlin auf der Strecke bleiben. Wir erläutern, wer beim Poker um die Märkte welche Karten in der Hand hält.
Arbeitnehmervertreter: Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Betriebsräte haben ein starkes Interesse, dass der Komplettverkauf von Kaiser’s an Edeka mit allen Filialen, nebst Fleischwerken, Logistikzentren und der Verwaltung doch noch umgesetzt wird. Denn es wurden für diesen Fall bislang einmalige Verträge ausgehandelt, die sowohl die Arbeitsplätze mit Tariflöhnen für mindestens fünf Jahre als auch den Erhalt sämtlicher Standorte garantieren. Dies ist allerdings in weite Ferne gerückt. Denn das Oberlandesgericht Düsseldorf hat den Deal gestoppt, für den Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zuvor eine Sondererlaubnis erteilt hatte. Theoretisch möglich eine außergerichtliche Einigung, bei der es darauf hinauslaufen dürfte, dass Kaiser’s an verschiedene Interessenten veräußert wird.
Den Gewerkschaftern wird es dabei darum gehen, dass die ausgehandelten Tarifverträge weitgehend ihre Gültigkeit behalten. Besonders schwierig wird dies in NRW, da es dort eine große Zahl defizitärerer Standorte gibt, deren Schließung droht. Auch in Berlin, wo allein 5300 der knapp 16000 Beschäftigten arbeiten, wären ebenfalls zahlreiche Standorte in Gefahr. In Bayern hingegen befinden sich insbesondere in größeren Städten zahlreiche lukrative Märkte. Den Vertretern von Verdi dürfte es vor allem darum gehen, eine Rosinenpickerei der Käufer zu verhindern.
Es könnte darauf hinauslaufen, „Pakete“ zu schnüren – mit einen Mischung aus profitablen und nicht-profitablen Standorten. Am stärksten sind die Jobs in der Verwaltung, der Logistik und in den Fleischwerken gefährdet. Denn jeder große Handelskonzern ist in der Lage, deren Aufgaben mit eigenen Ressourcen abzudecken.
Rewe/Norma/Markant: Die drei Handelsgruppen haben durch ihre vorerst erfolgreichen Klagen gegen den KT-Edeka-Deal eine extrem starke Position. Zwar wird es im November eine erste Entscheidung des Bundesgerichtshofs geben. Doch die juristischen Verfahren können sich über Jahre hinziehen, da die Drei sind bereit sind, sich durch alles Instanzen zu klagen. Will man einen Kompromiss finden, müssen sie also dazu gebracht werden, ihre Klagen zurückzunehmen. Rewe und Markant haben bereits ihre generelle Bereitschaft dafür erklärt.
Norma will bislang davon nichts wissen. In jedem Fall werden die Kläger einen hohen Preis verlangen. Es könnte darauf hinauslaufen, dass sie bei lukrativen KT-Filialen in Ballungsgebieten zum Zuge kommen. Alain Caparros, Rewe-Chef, hat von einer „fairen Aufteilung“ gesprochen. Dabei könnten auch die Schweizer Handelskonzerne Migros und Coop zum Zuge kommen – ersterer interessiert sich für Standorten in Bayern für die Tochter Tegut, letzterer will sich in Berlin breit machen.
Edeka: Für Markus Mosa, Chef des hiesigen Marktführers, geht es bei der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann vor allem um ein strategisches Ziel. Er will insbesondere in großen Städten seine Marktanteile ausbauen. Mancherorts würde das bei den Lebensmittelmärkten mit Vollsortiment eine starke Dominanz bedeuten, die kleinere Wettbewerber verdrängen kann. Mit der Übernahme der 450 Filialen würde zugleich seine Verhandlungsposition gegenüber Herstellern gestärkt, was größere Rabatte bringt. Beides zusammen genommen könnte dazu führen, dass Edeka seine Führung im deutschen Lebensmittelhandel vor Rewe, Aldi und Lidl noch weiter ausbaut. Genau aus diesen Gründen hatten Kartellamt und die Monopolkommission die Transaktion auch abgelehnt.
Und aus diesem Grund war Mosa bereit, für die Komplettübernahme eine Zusatzprämie zu zahlen. Ursprünglich soll der Preis bei 250 Millionen Euro gelegen haben, wegen der Verzögerungen habe es aber bereits deutliche Abschläge gegeben, heißt es in der Branche. Doch Mosa ließ mittlerweile mitteilen, dass man sich auch für den Fall einer Zerschlagung wappne. Damit hat der Handelsriese signalisiert, dass er prinzipiell zu einer Aufteilung der KT-Filialen mit Rewe und anderen bereit ist. Edeka strebt an, zahlreiche Standorte früher oder später zu neuen Filialen des konzerneigenen Discounters Netto zu machen.
Tengelmann: Der Familienkonzern, zu dem auch die Obi-Baumärkte und die Kik-Bekleidungskette gehören, will eigentlich so schnell wie möglich aus dem Lebensmittelgeschäft aussteigen. KT macht seit mehr als einem Jahrzehnt keinen Gewinn mehr. Monatlich sollen inzwischen Verluste von zehn Millionen Euro anfallen.
Doch Tengelmann-Chef Haub hat lange an der Transaktion mit Edeka festgehalten, weil sie sich für ihn und seine Familie mehrfach rentiert. Die Tengelmänner würden nicht nur einen Verlustbringer abstoßen, sondern zugleich dafür noch einen stolzen Preis plus Prämie erhalten. Überdies ist Haubs Familie an Netto beteiligt. Mit einem erfolgreichen Umfirmieren von Filialen lassen sich die Gewinne von Netto steigern, und einen Teil davon erhalten dann die Tengelmann-Eigner. Mit den Gerichtsverfahren und den daraus resultierenden Verzögerungen verliert das Geschäft mit Edeka aber zunehmend an Attraktivität.
Deshalb droht Haub mit der Zerschlagung. Das würde bedeuten, dass der Vertrag mit Edeka annulliert wird, damit wäre die Ministererlaubnis wirkungslos, ebenso wie die von Verdi ausgehandelten Tarifverträge. Tengelmann könnte dann die Filialen ohne Restriktionen offerieren. Um die attraktiven Standorte in Berlin und Bayern würde ein Bieterwettkampf entstehen. Märkte mit geringen Umsätzen in NRW würden links liegen gelassen und müssten wahrscheinlich dicht gemacht werden - Jobverluste in beträchtlicher Höhe inklusive. Allerdings hat ein Tengelmann-Sprecher bereits angedeutet, dass das Ultimatum auch verlängert werden könnte. Das dürfte der Fall sein, wenn es Bewegung in den Verhandlungen gibt, über deren Verlauf die Beteiligten Stillschweigen vereinbart haben.
