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Studie Studie: Reallöhne steigen deutlich - Aufschlag von 22 Prozent in 2014

Von Stefan Sauer 16.01.2015, 16:32

Berlin - Die Reallöhne in Deutschland sind 2014 so kräftig gestiegen wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Nach Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung verzeichneten Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben durchschnittlich ein Lohnplus von nominal 3,1 Prozent. Abzüglich der Teuerungsrate von 0,9 Prozent bleibt effektiv ein Zuwachs von 2,2 Prozent. Die preisbereinigten Bruttoeinkommen, die auch nicht-tarifgebundene Arbeitsentgelte mit einbeziehen, stiegen um 1,8 Prozent an – und damit dreimal so kräftig wie noch 2013.

Dabei zählten besonders Beschäftigte zu den Gewinnern, die eher am unteren Ende Lohnskala zu finden sind. So stiegen die Entgelte im privaten Dienstleistungsbereich, der etwa Friseure, das Wachgewerbe und private Pflegedienste einschließt, effektiv um 2,6 Prozent und damit deutlicher als etwa in den Bereichen Industrie, Bau und Handel, die reale Zuwächse zwischen 2,1 und 2,3 Prozent verbuchten.

Mindestlohn warf seine Schatten voraus

Ganz offenbar warf in manchen Niedriglohn-Branchen der zum Jahreswechsel eingeführte Mindestlohn seine Schatten voraus. Im Friseurhandwerk etwa wurde bereits 2013 eine abgestufte Lohnerhöhung vereinbart. Der Vertrag sieht den Mindestlohn von 8,50 Euro flächendeckend zwar erst ab August dieses Jahres vor, er führte aber bereits in den vergangenen 18 Monaten schrittweise zu erheblichen steigenden Tarifeinkommen.

Ähnliche Regelungen mit Übergangsfristen, die spätestens am 1. Januar 2017 auslaufen, wurden zum Beispiel für die Fleischindustrie oder ostdeutsche Textil- und Wäschereibetriebe vereinbart. Im Pflegebereich war der 2010 eingeführte Mindestlohn im Osten von anfangs 7,50 Euro ebenfalls schrittweise auf nunmehr 8,65 Euro angehoben worden.

Dass die Beschäftigten von dieser Entwicklung profitieren, liegt auf der Hand. Doch auch für die Volkswirtschaft insgesamt sind die gestiegenen Einkommen vorteilhaft. Höhere Einkommen bedeuten mehr Kaufkraft, die zusätzlich begünstigt durch die gefallenen Kraftstoff- und Heizölpreise deutlich zunahm. Mittlerweile hat die inländische Nachfrage den Export als Konjunkturmotor Nummer eins abgelöst.

Dabei handelt es sich offenbar nicht um eine Eintagsfliege: Schließlich steigen die preisbereinigten Löhne und Gehälter seit nunmehr sechs Jahren bis auf minimale Unterbrechungen wieder an. Die Reallohneinbußen zwischen 2000 und 2009 in Höhe von insgesamt rund vier Prozent konnten im vergangenen Jahr endgültig wettgemacht werden. Gegenüber der Jahrtausendwende steht nun erstmals wieder ein reales Plus von 1,1 Prozent. Und dabei dürfte es 2015 nicht bleiben. WSI-Tarifexperte Reinhard Bispinck rechnet schon wegen des Mindestlohns mit einem nochmals nennenswerten Anstieg der preisbereinigten Einkommen, zumal die Inflationsrate sich der Nullgrenze nähert und aktuelle Tarifforderungen sich im Bereich von fünf Prozent und mehr bewegen. Würden die Gewerkschaften nur die Hälfte ihrer Forderungen durchsetzen, bliebe abermals ein erfreuliches reales Plus.

Für die Unternehmen bedeuten steigende Löhne natürlich vor allem höhere Kosten. Doch angesichts der gleichzeitig wachsenden Binnennachfrage, niedriger Rohstoffpreise und einem exportfreundlichen Eurokurs sind diese Belastungen viel besser zu verkraften sein als in früheren Zeiten. Zum Jammern gibt es keinen Grund.