Studie gegen Riesen-Lkw Studie gegen Riesen-Lkw: Gigaliner-Zulassung brächte pro Tag 7000 Lkw-Fahrten mehr

Berlin - Je nach Betrachtungsweise heißen sie Gigaliner, Riesen-Lkw, Ökoliner oder Lang-Lkw. Trucks, die mehr als 25 Meter lang sind und 60 Tonnen oder mehr transportieren können. Befürworter versprechen durch den Einsatz der übergroßen Fahrzeuge eine Reduzierung der Lkw-Fahrten und damit einen Beitrag zum Umweltschutz.
Gegner warnen dagegen vor großen Sicherheitsproblemen und vor allem vor einer weiteren Verlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße. Am Montag legten sie eine neue Studie vor, die das untermauern soll.
In Deutschland sind die Lang-Lkw bisher nur im Rahmen einer Ausnahmeverordnung im Testverkehr zugelassen. Während ein normaler Lkw bis zu 18,75 Meter lang und 40 Tonnen schwer sein darf, sind im Rahmen des Versuchs 25,25 Meter lange und bis zu 44 Tonnen schwere Fahrzeuge erlaubt. In anderen europäischen Ländern, darunter in den Niederlanden und Dänemark, dürfen die Lang-Lkw bis zu 60 Tonnen schwer sein.
Test in Deutschland läuft bis Ende 2016
Im Rahmen des deutschen Tests, der offiziell bis Ende 2016 läuft, sind Lang-Lkw gegenwärtig in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen unterwegs. Alle anderen Bundesländer sind derzeit gegen den Einsatz dieser Fahrzeuge. Hier sind die Lang-Lkw allenfalls auf einigen wenigen Strecken erlaubt, etwa im Transitverkehr.
Seit 2012 läuft ein Feldversuch zu den großen Lkw, der sich inzwischen auf ein Streckennetz von gut 10 000 Kilometern erstreckt.
In einem Zwischenbericht der Bundesanstalt für Straßenwesen zum Feldversuch hieß es, es gebe keinen Verlagerungseffekt von der Schiene auf die Straße. Demnach können zwei Lang-Lkw drei herkömmliche Lastkraftwagen ersetzen, was eine Kraftstoffersparnis von 15 bis 25 Prozent ermögliche.
Die Automobilindustrie argumentiert, es gebe keine Verkehrsverlagerung von der Schiene oder Binnenschifffahrt auf die Straße, weil in Lang-Lkw nur leichte Güter wirtschaftlich transportiert werden könnten. Zudem würden Straßen und Brücken weniger beansprucht, weil sich das Gewicht auf mehr Achsen verteile. (afp)
Zwei Verkehrswissenschaftler der Technischen Universität Berlin und der Technischen Hochschule Wildau haben untersucht, welche Folgen der flächendeckende Einsatz der übergroßen Fahrzeuge auf den Güterverkehr in Deutschland hätte. Dabei gehen sie davon aus, dass der Gütertransport in einem Lang-Lkw wegen der größeren Ladekapazität etwa 20 Prozent preiswerter ist als in einem normalen Lkw.
Nach ihren Berechnungen werden die deutschen Güterbahnen durch diesen zusätzlichen Preisvorteil rund 7,6 Prozent ihres bisherigen Auftragsvolumens verlieren. Der Lkw-Verkehr gewinnt spiegelbildlich insgesamt 1,7 Millionen Fahrten im Jahr, das sind den Angaben zufolge rund 7000 Lkw-Fahrten zusätzlich pro Tag.
Kannibalisierungseffekt
„Die Hoffnung vieler Politiker, durch den Einsatz von längeren Lkw die Zahl der Lastwagen auf den Straßen zu vermindern, wird sich nicht erfüllen“, sagte Studienautor Herbert Sonntag. Er sprach von einem Kannibalisierungseffekt zum Nachteil des Schienenverkehrs. Die Behauptung, dass der Riesen-Lkw sogar ein Beitrag zum Umweltschutz im Güterverkehr sein könne, sei mit den Berechnungen widerlegt, so Sonntag. Nach seiner Analyse werden durch die Verlagerung zudem rund 1000 Arbeitsplätze bei den Güterbahnen verloren gehen.
Auftraggeber der Studie ist die Allianz pro Schiene, ein Zusammenschluss verschiedener Umweltorganisationen und Unternehmen der Bahnbranche. Studienautor Sonntag ist Mitglied des Vorstandes. Geschäftsführer Dirk Flege kritisierte, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bereits offen dafür eintrete, die Lang-Lkw nach der Testphase regulär zuzulassen. Das sei bemerkenswert, schließlich gebe es noch gar keine abschließende Beurteilung des Testbetriebs.
Bundes- und Landespolitikern warf Flege Naivität und das Einknicken vor einem wachsenden Druck bestimmter Lkw-Hersteller vor. „Wenn Daimler wirklich glauben würde, mit dem Gigaliner weniger Lastwagen zu verkaufen, dann müssten die Aktionäre ihr Veto einlegen“, sagte er. Wer eine Regelzulassung der Riesen-Lkw betreibe, bürde den Steuerzahlern hohe Kosten auf, gefährde die Sicherheit von Auto- und Radfahren und schädige die Umwelt.