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Studie der Bertelsmann-Stiftung Studie der Bertelsmann-Stiftung: Zu viel Arbeit macht krank

Von Timot Szent-Ivanyi 16.03.2015, 16:01
Viele Arbeitnehmer in Deutschland leiden unter zu hohen Erwartungen am Arbeitsplatz.
Viele Arbeitnehmer in Deutschland leiden unter zu hohen Erwartungen am Arbeitsplatz. dpa Lizenz

Berlin - Selbstbestimmte Arbeit ist ein Traum vieler Menschen. Darauf haben auch die Unternehmen regiert und geben ihren Beschäftigten  immer öfter  mehr Spielräume bei der Gestaltung der Arbeit. Häufig werden lediglich Ziele vorgegeben, wie diese erreicht werden, bleibt Sache der Mitarbeiter. Doch die Freiheit  hat Folgen: Viele Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten mehr, als ihnen guttut. Grund ist der hohe Druck am Arbeitsplatz, der viele Beschäftigte dazu verleitet, fahrlässig mit ihrer Gesundheit umzugehen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Ein Viertel der befragten Vollzeit-Beschäftigen legt demnach ein zu hohes Arbeitstempo vor, das nach eigener Einschätzung der Arbeitnehmer längerfristig nicht durchzuhalten sei. 18 Prozent erreichten oft die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, heißt es in der Studie des Gesundheitsmonitors von Bertelsmann-Stiftung und der Krankenkasse Barmer GEK, für die etwa 1000 Erwerbstätige repräsentativ befragt wurden. Der Gesundheitsmonitor analysiert seit mehr als zehn Jahren Entwicklungen in der Gesundheitsversorgung.

Jeder Achte kommt krank zur Arbeit

Nach der aktuellen Umfrage machen 23 Prozent keine Pausen, um die Arbeit zu schaffen.  Elf Prozent gaben an,  zusätzlich nach Feierabend,  im Urlaub und am Wochenende gearbeitet zu haben. Jeder Achte kommt sogar krank zur Arbeit. Damit wachse bei vielen die Gefahr, die eigene Gesundheit zu gefährden, heißt es in der Studie. Zeit für Pausen und Regeneration seien zu knapp, zudem versuchen viele Beschäftigte, die Leistung durch Nikotin oder Medikamente  zu steigern.

Selbstausbeutung heißt das Stichwort.  „Indem abhängig Beschäftigte (…) wie Selbstständige behandelt werden, verhalten sie sich auch entsprechend, um ihre Ziele zu erreichen“,  heißt es in der Studie. Daher seien überlange Arbeitszeiten an der Tagesordnung  oder das Arbeiten trotz einer Krankheit.  Experten kennen dieses Problem und sprechen von „interessierter Selbstgefährdung“.   

Als Grund für das selbstgefährdende Verhalten gaben 42 Prozent die permanent wachsenden Anforderungen an. Jeder Dritte weiß demnach nicht mehr, wie er den Ansprüchen gerecht werden soll. Überforderung ist die Folge. Die Mehrheit der Befragten (51 Prozent) fühlt sich hilflos und glaubt, keinen oder nur geringen Einfluss auf ihre Arbeitsmenge zu haben. Und es kommt noch schlimmer: Werden die Vorgaben trotz der hohen Belastung dennoch erfüllt,  gelte die übersprungene Messlatte schnell als neuer Standard, sagten die Befragten. Beschäftigte empfinden das als Hamsterrad, dass sich immer schneller dreht.

Arbeitgeber in der Pflicht

Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, forderte die Unternehmen auf, etwas gegen den hohen Druck zu tun. „Das Management kann die Leistungskultur maßgeblich beeinflussen und durch realistische Arbeitsziele ein gesünderes Arbeitsumfeld schaffen.“ Auch die Barmer GEK nimmt die Arbeitgeber in die Pflicht. „Wir brauchen in Unternehmen eine Kultur, die Gesundheit als Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg anerkennt und fördert“, sagte Vorstandsvorsitzender Christoph Straub.

Um das selbstgefährdende Verhalten der Beschäftigten zu reduzieren, schlagen die Autoren der Studie regelmäßig verbindliche und vor allem realistische Zielvereinbarungen mit dem Arbeitgeber vor. Die Ziele müssten innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar sein, fordert Anja Chevalier von der Sporthochschule Köln. Besonders wichtig sei zudem, dass Arbeitnehmer ein Gefühl für die eigenen Grenzen entwickeln, damit sie ihr Leistungspotenzial auch langfristig optimal ausschöpfen könnten, sagte Gert Kaluza vom GMK-Institut für Gesundheitspsychologie in Marburg.

Die Arbeitgeber halten offensichtlich nicht allzu viel von Untersuchungen wie der der Bertelsmann Stiftung. „Die positiven Wirkungen von Arbeit übersteigen die oftmals mit ihr in Verbindung gebrachten gesundheitlichen Risiken in aller Regel sehr deutlich“, erklärte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Studien zeigten vielmehr, dass Nichterwerbstätige deutlich stärker unter chronischem Stress litten als Erwerbstätige, argumentierte der Verband.