Streik bei Germanwings Streik bei Germanwings: Piloten sorgen für Turbulenzen

Berlin - Welche Flughäfen sind betroffen?
Germanwings fliegt Flughäfen abseits der Drehkreuze München und Frankfurt am Main an. Betroffen waren etwa 13000 Passagiere, die vor allem von Köln/Bonn, Düsseldorf, Berlin, Hamburg und Stuttgart aus fliegen wollten. Es ging insbesondere um innerdeutsche Verbindungen. Germanwings hatte die Fluggäste per E-Mail und SMS informiert. Es wurden kostenlose Stornierungen und Umbuchungen angeboten. Zudem stellte die Airline Gutscheine aus, mit denen die Passagiere ohne Zusatzkosten mit der Bahn fahren konnten. Chaos an den Flughäfen blieb aus. Die Lufthansa-Tochter bemühte sich zudem, mit einem Notflugplan alle Urlauber nach Hause zu bringen, die ihre Herbstferien rund ums Mittelmeer verbracht haben.
Wie war es möglich, dass trotz des Streiks noch 400 Flüge stattfanden?
Die Lufthansa erstellt die Notflugpläne immer routinierter. Der Airline kam auch beim Germanwings-Streik zupass, dass sie „freiwillige Piloten“ einsetzen konnte. Dabei handelt es sich einerseits um Flugzeugführer, die normalerweise im Management arbeiten. Hinzu kommen aber auch Mitglieder der Vereinigung Cockpit (VC), die trotz des Streikaufrufs ihrer Organisation, im Cockpit saßen. Über Anzahl der Streikbrecher und der fliegenden Manager machen weder die VC noch die Lufthansa Angaben.
Was für einen Sinn hat der Ausstand, wenn trotzdem geflogen wird?
Dass ein Großteil der Maschinen abhebt, gehört seit jeher zum Kalkül der der Pilotenvereinigung. Die Streiks sollen nicht die gesamte Lufthansa lahmlegen, sondern wie Nadelstiche wirken. In der Vergangenheit knickte das Management bei Piloten-Streiks dann auch relativ schnell ein. Nun ist eine andere Gangart erkennbar. Neu an der aktuellen Auseinandersetzung ist, dass es der Lufthansa bei einem Ausstand in der Frachtsparte am 8. und 9. Oktober gelang, mit den Freiwilligen alle geplanten Flüge durchzuführen. So etwas schwächt die Pilotengewerkschaft. Aber die Streiks setzen auch der Lufthansa zu. Fliegende Manager sind nicht unbeschränkt einsetzbar, finanzielle Einbußen kommen hinzu.
Wie hoch fallen die Kosten für die Lufthansa aus?
Die ersten Streiks im Frühjahr sollen laut Lufthansa etwa 60 Millionen Euro gekostet haben. Inzwischen sei ein weiterer zweistelliger Millionen-Betrag hinzugekommen. Wobei sich die Frage stellt, was mit „gekostet“ gemeint ist. Denn es gibt auf der einen Seite entgangene Einnahmen, aber auf der anderen Seite auch vermiedene Kosten. Gerade bei kürzeren Strecken mit geringerer Auslastung der Maschine kann es schnell passieren, dass eine Airline draufzahlt. Deshalb können mit abgesagten Flügen sogar Kosten eingespart werden. Nicht wieder gut machen lässt sich hingegen der Imageschaden, der durch Annullierungen entstanden ist.
Müssen Lufthansa-Kunden mit weiteren Streiks rechnen?
Das ist so gut wie sicher. Beide Seiten werfen sich vor, die Verhandlungen zu blockieren. Der Konflikt wird immer komplexer, es geht um Grundsätzliches. Die Lufthansa will neue Regelungen für den Vorruhestand. Flugzeugführer sollen künftig nicht mehr schon mit 55 unter günstigen Konditionen in Frührente gehen dürfen, sondern erst mit 60. Zudem will die Lufthansa das tatsächliche Alter des Ausscheidens aus dem aktiven Dienst von derzeit durchschnittlich 58 auf 61 Jahre erhöhen. Hintergrund: Die Aufwendungen für Vorruheständler und Rentner, die früher im Cockpit saßen, machen schon jetzt 40 Prozent der gesamten Versorgungsleistungen aus. Dies engt die finanziellen Spielräume der Lufthansa ein, in Zukunft dürfte sich dies noch verschärfen. Die VC will hingegen seit Jahrzehnten bestehende Besitzstände verteidigen.
Warum muss die Lufthansa knausern?
Die Konkurrenz wird härter. Billigflieger und staatlich unterstützte Airlines vom persischen Golf machen dem Konzern zu schaffen. So gab die Lufthansa am Donnerstag bekannt, ihre Flüge von Frankfurt nach Abu Dhabi im nächsten Sommer einzustellen – wegen Überkapazitäten lässt sich auf dieser Strecke kaum noch Geld verdienen. Die in Abu Dhabi beheimatete Fluglinie Etihad und ihr deutscher Partners Air Berlin sind auf der Route unterwegs.
Ist die Vorruhestandsregelung der einzige Konflikt?
Nein, in jüngster Zeit tritt das sogenannte Wings-Projekt immer stärker in den Vordergrund. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat Anfang der Woche noch einmal bekräftigt, dass er Billigangebote für Touristen mit einer neuen Marke ausbauen will. Die Langstrecke spielt dabei eine entscheidende Rolle. Geplant ist, 14 ältere A340-Jets dafür umzubauen. Im Cockpit sollen Piloten Dienst tun, die nicht an den Konzerntarif gebunden sind, also deutlich weniger als ihre Lufthansa-Piloten verdienen. Möglich wäre dies mittels einer neuen Tochter, die im Ausland ihren Sitz hat. Die VC will dies verhindern – es könnte der Einstieg in eine Aufweichung der tariflichen Vereinbarungen im gesamten Konzern bedeuten. Die Folge wäre, dass das Gehaltsniveau für neu eingestellte Piloten deutlich und dauerhaft gedrückt wird.
Wie groß sind die Chancen der Piloten erfolgreich zu sein?
Vorbild für die Lufthansa-Piloten dürfen die Kollegen von Air France sein. Die haben es kürzlich mit einem Streik geschafft, dass das Management die Expansionspläne einer Billigtochter aus Ausland aufgegeben hat – nach einer Intervention der Regierung.