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Countdown im Handelsstreit Strafzölle: Zwischen EU und USA scheint am 1. Mai alles möglich

Von Stefan Sauer 29.04.2018, 15:20
Ein Containerschiff kommt im Hamburger Hafen an. Kurz vor der Entscheidung von Präsident Donald Trump scheint im Handelsstreit der USA mit den EU alles möglich.
Ein Containerschiff kommt im Hamburger Hafen an. Kurz vor der Entscheidung von Präsident Donald Trump scheint im Handelsstreit der USA mit den EU alles möglich. Getty Images Europe

Berlin - Wird der 1. Mai 2018 als Tag Eins eines transatlantischen Handelskrieges in die Geschichte eingehen? Als Wendepunkt für den Welthandel, weg vom freien Warenaustausch, hin zu protektionistischen Hemmnissen allenthalben? Oder lenkt US-Präsident Donald Trump doch noch ein, nimmt die EU von den Anfang März verhängten Strafzöllen auf Stahl und Aluminium aus und entschärft damit den drohenden Konflikt?

Alles scheint möglich, ausgeschlossen ist nichts. Zwar haben in der vergangenen Woche Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel in persönlichen Gesprächen mit Trump dafür geworben, die am 30. April auslaufende Zollausnahme-Regelung für die EU dauerhaft zu verlängern. Erkennbare Ergebnisse zeitigen die Bemühungen indessen nicht.

Trumps Entscheidung unvorhersehbar

Andererseits bedeutet das nicht viel. Schließlich haben sich Trumps Entscheidungen während der ersten 15 Monate seiner Präsidentschaft als sprunghaft und unvorhersehbar erwiesen.

Für Zölle auf EU-Importe spricht aus Sicht der US-Regierung vor allem die Handelsbilanz: Der Überschuss der Europäer im Handel mit den USA erreichte 2017 knapp 121 Milliarden Euro. Allein Deutschland führte nach Angaben des Statistischen Bundesamts im vergangenen Jahr Waren im Wert von 111,5 Milliarden in die USA aus und erzielte bei einem Importvolumen von 61 Milliarden einen Überschuss von 50,5 Milliarden Euro.

US-Präsident sieht überall unfaire Praktiken

Trump begreift solche Zahlen als Ergebnis unfairer Handelspraktiken und Zollabkommen zu Lasten der USA. Mit dieser Begründung hat er Anfang März unter anderem gegen China Strafzölle auf Stahlimporte in Höhe von 25 Prozent sowie von Aluminiumeinfuhren (10 Prozent) in Kraft gesetzt, während der EU eine bis Ende April befristete Ausnahme zugestanden wurde.

Zuletzt veröffentlichte Außenhandelsdaten waren indessen nicht geeignet, Trump von seinem Kurs abzubringen: Deutschland erzielte allein im Februar 2018 einen Handelsbilanzüberschuss von 18,4 Milliarden Euro, wovon rund ein Viertel auf die USA entfiel.

US-Handelsbilanzdefizit auf Höchststand

Der deutsche Handelsbilanzüberschuss liegt seit Jahren in einer Größenordnung von acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit deutlich üb über der Marke von sechs Prozent, die die Welthandelsorganisation WTO als Obergrenze des Akzeptablen definiert hat. Demgegenüber erreichte US-Handelsbilanzdefizit 2017 mit 566 Milliarden Dollar einen neuen Höchststand.

EU-Zölle im Schnitt höher als US-Zölle

Hinzu kommt, dass die europäischen Zölle auf US-Produkte im Schnitt tatsächlich höher ausfallen als amerikanische auf EU-Importe. Laut WTO erhob die EU im Jahr 2016 auf US-Einfuhren einen durchschnittlichen Zoll von 5,2 Prozent, umgekehrt waren es den Angaben zufolge nur 3,5 Prozent.

Die EU-Kommission nennt noch geringere Unterschiede: drei prozentigen Zöllen der EU stünden 2,4- prozentige der USA gegenüber. Besonders groß ist der Abstand allerdings ausgerechnet im Handel mit Kfz und Fahrzeugteilen, in dem Deutschland die höchsten Überschüsse erzielt: Der EU-Zoll auf US-Autos beträgt 10 Prozent, der US-Zoll nur 2,5 Prozent.

Stahl- und Aluminiumhandel spielt Nebenrolle

Gleichwohl spricht viel mehr gegen Trumps Strafzölle als dafür. Erstens wurden die Zollvereinbarungen in den 90er Jahren in beidseitigem Einvernehmen beschlossen und entsprechen den Regeln der WTO. Zweitens spielen die in Frage stehenden Stahl- und Aluminiumausfuhren im transatlantischen Warenverkehr eher eine Nebenrolle: Das deutsche Exportvolumen liegt unter zwei Milliarden Euro, das gesamteuropäische bei etwa sechs Milliarden Euro.

Angesichts eines jährlichen Gesamthandelsvolumens zwischen der EU und den USA von mehr als 600 Milliarden Euro erscheint der Sektor also nicht gerade spielentscheidend. Zum zweiten dürften US-Firmen unter den Zöllen stärker leiden als europäische Unternehmen.

Während die US-Stahl-und Aluminium-Erzeugung nur 140.000 Menschen beschäftigt, sind es in metallverarbeitenden Branchen – etwa im Bausektor und in der Flugzeugindustrie – rund 6,5 Millionen.

US-Firmen auf Spezialstähle angewiesen

Viele Unternehmen sind dabei auf Spezialstähle angewiesen, die in den USA gar nicht hergestellt, sondern aus Europa eingeführt werden. Verteuert sich der EU-Stahl, steigen also auch die Herstellungskosten in den USA und mindern damit die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft, die Trump doch so gern stärken würde. Nicht von ungefähr sprachen in den vergangenen Wochen Spitzenvertreter zahlreicher US-Branchen bei Trump vor, um ihn von seinem protektionistischen Kurs abzubringen.

Drittens hat die EU-Kommission bereits eine Liste von rund 200 US-Produkten zusammengestellt, die im Gegenzug mit Einfuhrabgaben in die EU belegt werden könnten. Dabei handelt es sich, vermutlich nicht zufällig, vorrangig um Erzeugnisse aus US-Staaten, die von Trumps Parteifreunden, den Republikanern, regiert werden: beispielsweise Whiskey aus Kentucky, Harley-Davidson-Maschinen aus Wisconsin und Textilien aus North- und South Carolina.

Malmström: Unter Druck verhandeln wir nicht

Vor diesem Hintergrund gab sich EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström in der vergangenen Woche einesteils verhandlungsbereit, andererseits aber auch selbstbewusst: „Wir werden den USA nichts für die Befreiung von Zöllen anbieten, was nicht den WTO-Regeln entspricht.“ Die EU fordere stattdessen „eine dauerhafte und bedingungslose“ Befreiung von den Abgaben. „Wenn der US-Präsident das bestätigt, sind wir bereit, alles zu diskutieren, aber unter Druck verhandeln wir nicht.“