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Kommentar zu US-Strafzöllen Strafzölle: Trump will eine neue Ordnung des Marktes - China und die EU sind bereit für einen Handelskrieg

Von Stephan Kaufmann 09.03.2018, 15:02
Donald Trump hat die Verordnung zu den Strafzöllen unterschrieben 
Donald Trump hat die Verordnung zu den Strafzöllen unterschrieben  AP

Berlin - Donald Trump macht ernst. Er erlässt tatsächlich Strafzölle gegen alle Staaten und spricht damit dem Welthandelsrecht die Geltung ab. Gleichzeitig lockt er mit Zoll-Befreiungen, um die sich ausgewählte Nationen bemühen dürfen, wenn sie bereit sind, den USA eine Gegenleistung zu erbringen.

Die Strafzölle sind für Trump also ein Spielchip bei der Neuordnung des globalen Handels. In die Irre führt allerdings die Diagnose, der US-Präsident starte einen Handelskrieg, bei dem alle nur verlieren können.

Einerseits ist die Diagnose „Krieg“ zutreffend. Denn im Krieg geht es darum, den Willen und die Möglichkeiten des Gegners zu brechen, indem man ihm Schaden zufügt und den eigenen Schaden dafür in Kauf nimmt. Allerdings ist Trumps Ziel gar nicht der Krieg. Er will Frieden in Form einer neuen Ordnung, die für die USA vorteilhaft sein soll.

Die EU und China ihrerseits wollen nicht unbedingt Frieden. Indem beide vor einem Handelskrieg warnen, geben sie kund, dass sie bereit sind, ihn zu führen, um die alte Ordnung zu erhalten, die ihnen zusagt. Dass alle Seiten als Motiv für ihre harte Haltung die Sicherung von „Arbeitsplätzen“ angeben, ist ihre Art, den Konflikt als Dienstleistung an der Bevölkerung darzustellen.

Eine reine Machtfrage

Im aktuellen Konflikt steht also nicht amerikanische Macht gegen europäisches Recht, nicht Kriegslüsternheit gegen Friedenswille, sondern es ist ein Kampf um die geltende Rechtsordnung, der eine reine Machtfrage ist.

Während die Ökonomen davor warnen, dass durch den Konflikt das Wirtschaftswachstum leidet, streiten die Praktiker des Geschäfts um die Anteile an eben diesem Wachstum. Das ist das System, in dem wir alle leben, und insofern erübrigt sich die Frage, wer hier „angefangen“ hat und damit die Schuld am Desaster trägt.

Bei der Warnung vor einem eskalierenden Konflikt wird dem Handelskrieg ein idyllischer Zustand des friedlichen Handels gegenübergestellt, den die Kriegstreiber gefährden. Doch ist dieser Zustand keineswegs idyllisch, was man daran erkennt, dass aus ihm die Gründe für den Krieg erwachsen.

Anlass der Trumpschen Offensive ist, dass die Erträge des friedlichen Handels zwar schwierig zuzuordnen sind, sich aber eindeutig verteilen: Amerika schreibt unterm Strich Defizite, macht also Schulden, die EU, China, Japan, Mexiko erzielen Überschüsse.

Bei der Deutung dieser Verteilung leistet sich die deutsche Politik einen doppelten Widerspruch: Erstens lobt sie die deutschen Exporte und Überschüsse, kritisiert aber die daraus zwangsläufig resultierenden Defizite anderer Staaten. Zweitens steht sie auf dem Standpunkt, das Ergebnis des beidseitigen Handels sei einseitig – vom Handelspartner – zu lösen und zwar keinesfalls zu Lasten der deutschen Unternehmen.

Es werden zu viele Güter produziert

Die Warnung vor dem Krieg verdeckt zudem das eigenartige Problem, dass dieser Frieden geschaffen hat und der die aktuelle Weltwirtschaftslage kennzeichnet: Es gibt zu viele Güter.

Eine Welt, in der Handelskriege drohen, ist eine Welt, in der die Produktion nützlicher Dinge erstens offensichtlich kein Problem ist – es gibt ja zu viele davon, sie verkaufen sich bloß nicht – und in der zweitens der Zweck allen Wirtschaftens offensichtlich nicht in der Versorgung der Menschheit mit Gütern besteht, auch wenn alle Ökonomie-Lehrbücher das Gegenteil behaupten. Grund der Kriegsgefahr ist kein Mangel an sachlichem Reichtum wie Autos, Stahl und Soja, sondern der Überfluss, der sich nicht rentiert.

Es ist von daher folgerichtig, dass sich der Konflikt am Stahl entzündet - einer Branche, die global unter massiven Überkapazitäten leidet. Aus dem vom Versorgungsstandpunkt absurden Problem des Überflusses entsteht eine Verdrängungskonkurrenz zwischen den Standorten.

Produktionskapazitäten müssen stillgelegt, Reichtum vernichtet werden. Nur bei wem? Im Kampf um die anstehende Entwertung in Form von Firmenpleiten versuchen die Standorte, den Schaden auf die anderen zu überwälzen. Es geht um die Verteilung von Verlusten, damit die Überlebenden wieder Gewinne machen können.

Regierungen sind verantwortlich

Im Willen zur Schädigung der eigenen und fremden Wirtschaft demonstrieren die Regierungen den Primat der Politik. Während zu Friedenszeiten der Weltmarkt als ökonomischer Sachzwang gedeutet wird, dem man sich zu fügen hat, zeigen die Politiker derzeit ihre Fähigkeit und ihren Willen zur Gestaltung der Globalisierung, die nichts anderes ist als ein Set von Vereinbarungen, unter denen die weltweite Konkurrenz verläuft.

Das bedeutet aber auch: Der Weltmarkt, wie er ist, ist keine staatsferne, befreite, deregulierte Veranstaltung, sondern Ergebnis der Politik und von ihr gewollt – zumindest von Regierungen der mächtigen Staaten. Damit sind sie verantwortlich für seine Resultate. 

An diese Gestaltungsmöglichkeiten sollte man die Politik erinnern, wenn sie demnächst wieder die Wirtschaft – in Form von Globalisierung oder Digitalisierung - darstellt als Schicksal, dem sich die Menschen zu beugen haben.