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Die Pingeligen Staubsauger im Test: Ein Besuch im Labor der Stiftung Warentest

Von Antonie Städter 05.08.2017, 10:00
Im perfekt abgeschirmten - und optisch beeindruckenden - Raum für die Akustikprüfung geht es um die Lärmentwicklung der Staubsauger.
Im perfekt abgeschirmten - und optisch beeindruckenden - Raum für die Akustikprüfung geht es um die Lärmentwicklung der Staubsauger. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Erst wird der Teppich sorgsam gereinigt, dann kommt ordentlich Dreck darauf. Dieser wird nun von einer Walze beharrlich hineingedrückt. Daneben steht ein junger Mann, der das alles mit Argusaugen im Blick behält.

Es geht hier natürlich nicht um echten Dreck. Sondern um Staub: Normstaub. Er steht in kleinen Plastikbehältern bereit, mit Aufschriften wie „Mineralstaub“ oder „Test-Dust“, und wie groß die Körnchen sind, ist genau definiert. „125 Gramm davon werden pro Quadratmeter auf dem Teppich verteilt“, sagt der junge Mann an der „Staubaufnahmeprüfeinrichtung“, wie sie das Gerät hier nennen.

Sein Name darf genauso wenig veröffentlicht werden wie der Ort des Geschehens. Denn hier, in einem Prüfinstitut irgendwo in Mitteldeutschland, demonstrieren die Fachleute, wie ein Test für die Stiftung Warentest vonstatten geht. Im konkreten Fall einer der Klassiker, der Staubsaugertest.

Stiftung Warentest: Anonymität ist ein Muss

Da ist Anonymität Muss. Denn es geht um viel. Seien es schädliche Stoffe in Spielzeug oder Fallstricke bei Aktienfonds, die die Stiftung aufdeckt: So angesehen sie bei den Verbrauchern ist, so gefürchtet ist sie bei Herstellern. Ob ein Produkt ein „Sehr gut“, „Gut“, „Befriedigend“, „Ausreichend“ oder „Mangelhaft“ erhält, kann es zum Bestseller oder Ladenhüter werden lassen. Umso wichtiger, dass die Prüfer im Verborgenen arbeiten können - fernab jeglicher Interessen.

„Wir unterschreiben eine Neutralitätserklärung, sind zur Verschwiegenheit verpflichtet und dürfen die Geräte eines Anbieters nicht gleichzeitig für ihn selbst testen“, sagt der (natürlich ebenfalls anonym bleibende) Geschäftsführer des von der Stiftung beauftragten Prüfinstituts, das Anfang der 90er Jahre aus einem Forschungszentrum der DDR hervorgegangen ist.

Heute werden hier die verschiedensten Produkte unter die Lupe genommen - „von Haushaltsgeräten oder Körperpflegeprodukten bis hin zu Steuerungen für Windkraftanlagen“, zählt er auf.

Das Credo der Stiftung Warentest lautet: Unabhängig sein

„Wir arbeiten mit über 100 unabhängigen Prüfinstituten zusammen“, sagt Stiftung-Warentest-Sprecherin Heike van Laak. Unabhängig sein, das ist so etwas wie das Credo schlechthin bei der Stiftung. Sogar in ihrer Satzung steht, dass sie keine Werbung veröffentlichen darf. So ist etwa ihr Magazin „test“ anzeigenfrei.

Auch entscheidet die Stiftung selbst, welche Waren getestet werden. Die Vorbereitung dauere oft Monate: „Unser Projektleiter entwirft das Prüfprogramm, also was wie genau getestet wird. Dieses Test-Programm wird dann in einem Fachbeirat aus Wirtschaft, Verbraucherschützern und unabhängigen Experten diskutiert“, so van Laak. „Daraus ergeben sich mitunter wichtige Anregungen. Über das finale Programm entscheiden aber Vertreter der Stiftung Warentest.“ Rechtliche Vorgaben und Normen sind mitentscheidend, teils ist man aber noch strenger.

Wie werden Produkte für einen Test ausgewählt?

Und wonach geht es nun, welches Shampoo, Spielzeug oder eben welcher Staubsauger getestet wird? „Die Produkte werden streng nach Marktrelevanz ausgewählt. Außer es handelt sich um spannende Innovationen. Aber das sind eher Einzelfälle.“

Klar, man möchte viele Verbraucher erreichen. Die Prüfmuster werden von Test-Einkäufern normal im Handel besorgt. Zuweilen ein großer logistischer Aufwand, da es mehrere davon braucht. „Die Einkäufer zahlen möglichst bar, um nicht mit der Stiftung in Verbindung gebracht zu werden“, berichtet die Sprecherin.

Gleiche Bedingungen für alle: Besuch im Labor der Stiftung Warentest

Im Labor, wo die Saugkraft überprüft wird, achten sie auch auf eine konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Das überrascht - zumindest den Laien. Doch das ist hier überall so. Gleiche Bedingungen für alle.

„Der Test ist weitestmöglich automatisiert, der Prüfer steuert die Maschine nur“, sagt der Laborleiter. Und führt vor, während er erklärt: „Nachdem die Walze mit genau festgelegtem Gewicht, Geschwindigkeit und Anzahl der Überfahrten den Staub in den Teppich gedrückt hat, wird der Saugergriff eingespannt.“ - In genormter Höhe, versteht sich.

Wie viel Staub wird im Beutel landen? Eine Waage verrät es. Die (genormten) Teppiche, die sie nutzen, sind übrigens Spezialanfertigungen aus neuseeländischer Naturwolle. Früher, vor Jahrzehnten, sei für Tests Privatstaub von Mitarbeitern verwendet worden - heute undenkbar! Staub ist nicht gleich Staub.

Staubsauger im Test der Stiftung Warentest

Es scheint kein Detail zu geben, das die Experten bei ihren Testobjekten nicht im Blick haben. Da ist etwa auch der Akustikfachmann, der den Schallleistungspegel der Staubsauger im perfekt abgeschirmten Spezialraum untersucht, also wie laut sie werden. Beim Test ist sogar die Position des Gerätes auf dem Boden zentimetergenau definiert.

Oder der Ingenieur am „Schwellenpfostenprüfstand“. „Hier geht es um die Lebensdauer der Geräte“, erklärt er. „Der Staubsauger wird 10 000 Mal über eine Schwelle gezogen, die eine Türschwelle imitiert. In drei Tagen und Nächten simulieren wir so zehn Jahre.“

Eines ist spätestens jetzt klar: Sie nehmen es hier mit allem ganz genau.

Korinthenkackerei oder Akkuratesse? 

Man kann es Korinthenkackerei nennen - oder Akkuratesse. Die ist dem Chef des Prüfinstituts bei seinen Mitarbeitern „weit lieber als eine äußerst kreative Ader“. Wobei: Kreative Ideen müssen sie auch haben, etwa, wenn es um Prüfstände geht. „Die werden hier für alle möglichen Prüfanforderungen eigens entwickelt.“

Man testet zigmal, checkt gegen, sichert ab - aus gutem Grund. „Die Tests müssen vor jedem Gericht Bestand haben“, sagt Heike van Laak. Es kommt ja immer wieder vor, dass die Stiftung Warentest von Firmen verklagt wird - „im Schnitt drei- bis viermal pro Jahr“.

Klagen gegen Stiftung Warentest: Uschi Glas und ihre Cremes

Wir erinnern uns: Da war etwa Uschi Glas mit ihren Cremes, die ein „Mangelhaft“ bekamen. Die Stiftung gewann den Rechtsstreit. Oder der Schoko-Konflikt mit Ritter Sport um einen Inhaltsstoff. Da musste die Stiftung einen Dämpfer hinnehmen. Aber vielfach haben Gerichte ihre Position gestärkt.

Und die Sprecherin der seit über 50 Jahren bestehenden Institution betont: „Wir wurden noch nie rechtskräftig zu Schadenersatz verurteilt.“

Einen Fauxpas werden die Tester wohl nie vergessen

Doch diesen einen Fauxpas werden die strengen Tester wohl nie vergessen: Ein Rechenfehler bei der Überprüfung von Riester-Versicherungen führte 2002 dazu, dass eine Ausgabe des Magazins „Finanztest“ zurückgerufen werden musste.

Ganz geheim geht es übrigens nicht zu: Vor der Veröffentlichung der Testberichte werden die Firmen informiert und erhalten die Messergebnisse, damit sie sich gegebenenfalls dazu äußern können. „Allerdings bekommen sie nur ihre eigenen Daten und auch nicht die von der Stiftung vorgenommene Gewichtung“, berichtet Heike van Laak. Welche Note es am Ende gibt, bleibt also eine Überraschung. (mz)