Stark steigende Mieten Stark steigende Mieten in Deutschland: Für viele werden Wohnungen immer unbezahlbarer

Für einen Großteil der Bevölkerung wird Wohnen allmählich unbezahlbar. Etwa die Hälfte der Menschen im Lande lebt in Regionen mit akutem Wohnraummangel und stark steigenden Mieten, die für Normalverdiener nicht mehr erschwinglich sind. Einer Studie des Prognos-Instituts zufolge, die am Donnerstag auf dem Wohnungsbautag 2017 in Berlin vorgestellt wurde, trifft dies nicht mehr nur auf boomende Metropolregionen und beliebte Universitätsstädte zu, sondern auch auf sogenannte B-Standorte wie Darmstadt, Pforzheim, Potsdam oder Neuss.
Lebst du noch oder wohnst du schon?
Man könnte, in Abwandlung eines bekannten Werbeslogans, die Lage auch in der Frage zusammenfassen: Lebst du noch oder wohnst du schon? Beides zugleich scheint selbst für Bezieher mittlerer Einkommen kaum mehr finanzierbar. „Der Wohnungsmangel ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, befindet der Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, Andreas Ibel.
Die von Prognos zusammengetragenen Daten bestätigen diese These eindrücklich. Demnach handelt es sich bei 138 der insgesamt 402 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland um so genannte Zuzugsregionen, in denen insgesamt rund 900.000 Wohneinheiten fehlen. Hauptgrund ist nach Überzeugung der sieben Verbände, die sich zu einem „Bündnis Wohnungsbau“ zusammengeschlossen haben, die viel zu geringe Zahl neu errichteter Wohneinheiten.
Während Deutschland laut Prognos-Studie zwischen 2011 und 2016 durch Zuwanderung rund 2,5 Millionen Einwohner hinzu gewann, stieg die Zahl fertig gestellter Wohneinheiten im gleichen Zeitraum nur um 1,3 Millionen. Verschärft wird der Mangel durch den langjährigen Trend zu Single- und Zweipersonen-Haushalten sowie den Zuzug in Ballungsräume. „Unter dem Strich fehlen derzeit eine Millionen Wohnungen“, sagte der Chef des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten.
Die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage wächst Jahr für Jahr
Zwar hat die Bautätigkeit nach einem Tiefpunkt im Jahr 2010 mit knapp 160.000 neu errichteten Wohnungen wieder zugelegt. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit fast 278.000 Einheiten fertig gestellt. Der Bedarf liegt laut Siebenkotten indes bei 400.000 Wohnungen pro Jahr, so dass die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage weiter wächst. „Wir brauchen aber nicht nur mehr, sondern vor allem mehr bezahlbaren Wohnraum“, sagt der Mieterbund-Direktor.
Allein mindestens 80.000 dieser neuen Wohneinheiten pro Jahr müssten als Sozialwohnungen angeboten werden, um den jährlichen Sozialwohnungsschwund in gleicher Größenordnung durch das Ende der Mietpreisbindung zu kompensieren. Tatsächlich wurden 2015 und 2016 insgesamt aber nur 40.000 Sozialwohnungen fertig.
Weitere 60.000 Einheiten pro Jahr sollten laut Studie zu Mieten angeboten werden, die sich die Mittelschicht noch leisten kann, ohne ihren Lebensstandard insgesamt einzuschränken. Dabei gilt eine Grenze von 35 Prozent des verfügbaren Einkommens für die Warmmiete. Dieser Wert wird in weiten Teilen der Republik längst überschritten.
In den Metropolen ist die Lage am schlimmsten
Besonders dramatisch ist die Lage in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. Um dies zu verdeutlichen, hat Prognos zunächst den Anstieg der Kaltmieten zwischen 2011 und 2016 in den genannten Metropolen erfasst: Danach stiegen die Mieten in München für neue Wohnungen von durchschnittlich 12,96 Euro auf 17,42 Euro pro Quadratmeter. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Stuttgart und Frankfurt, wo für erstmals vermieteten Wohnraum 2016 im Schnitt rund 14,20 pro Quadratmeter verlangt wurden. In Köln und Düsseldorf liegen die Vergleichswerte bei 12,39 und 12,55 Euro, in Hamburg bei 13,16 Euro.
Berlin ist mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis für erstmals vermietete Wohnungen von 12,40 Euro zwar noch vergleichsweise günstig, allerdings holt die Hauptstadt in Riesenschritten auf: Dort stiegen die Mieten für neue Wohnungen zwischen 2011 und 2016 um jährlich zwölf Prozent und damit stärker als in jeder anderen Großstadt. Frankfurt etwa kommt auf ein Plus von 4,2 Prozent, Köln auf 6,3 Prozent pro Jahr. Die Entwicklung für erneut vermietete Bestandswohnungen verlief ähnlich,, wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau.
Für wen sind solche Mieten noch bezahlbar?
Um dies herauszugfinden, hat Prognos die Haushaltseinkommen in den Top-7-Städten ermittelt, die teils stark voneinander abweichen. So betrug das mittlere Haushaltsnettoeinkommen 2014 in Berlin 1824 Euro monatlich, in Köln 2198, in München 2744 Euro und in Frankfurt sogar 2756 Euro. Daraus ergeben sich – insbesondere für die vermeintlich preisgünstige Hauptstadt - dramatische Befunde.
In keiner der Top-7-Städte reichen 35 Prozent des mittleren Einkommens aus, um eine Durchschnittswohnung von 70 Quadratmetern zu finanzieren. In Berlin langt es im Mittel für nur 56 Quadratmeter, im viel teureren Frankfurt wegen der hohen Haushaltseinkommen dagegen für 64 Quadratmeter und selbst im extrem teuren München reicht das mittlere Einkommen für 54 Quadratmeter Wohnraum – fast ebenso viel wie in Berlin. (Köln: 63 qm).
Wohnungen in Städten werden für viele unbezahlbar
Diese Zahlen bedeuten zugleich, dass für die untere Einkommenshälfte der Bevölkerung in den genannten Großstädten das Anmieten einer Wohnung faktisch unbezahlbar ist. „Immer mehr Menschen werden aus den Städten an die Ränder gedrängt, mit gefährlichen Folgen für den sozialen Frieden und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“, warnt Mieterbund-Direktor Siebenkotten.
Was tun? Die Verbände fordern einen Verstetigung und Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus unter Beteiligung des Bundes über 2019 hinaus, ein stärkeres Engagement der Länder, den Verkauf öffentlicher Baugrundstücke nach stadtplanerischen und sozialen Kriterien, eine von zwei auf drei Prozent jährlich steigende Abschreibung für Neubauten, weniger Bürokratie sowie die gesetzliche Möglichkeit, ausgewählte städtische Gebiete höher und enger zu bebauen als dies bisher zulässig ist. Damit Wohnen und Leben wieder zusammen geht.