Sozialethiker Bernhard Emunds Sozialethiker Bernhard Emunds: "Die Kirche braucht Menschen die in Armut leben"

Professor Emunds, wie passt eine kirchliche Bank wie die Pax-Bank in Köln zur Botschaft eines Stifters, der seine Jünger ohne Geldbeutel aussendet und davor warnt, Besitz und Reichtümer zu horten?
Armut und modernes Banking, das geht nicht zusammen. Papst Franziskus spricht heute von der „armen Kirche für die Armen“. Damit ist ein wichtiger Punkt gesetzt: Die Kirche braucht Menschen, die einzeln oder gemeinschaftlich in Armut leben, in bewusstem Verzicht auf persönlichen Besitz. In einer kapitalistischen Gesellschaft, für die Reichtumsvermehrung ein zentraler Wert ist, ist das ein Kontrastprogramm und ein Zeichen kritischer Distanz. Armut – und damit meine ich mehr als den Verzicht auf Protz und unnötige Ausgaben – kann aber nicht die Aufgabe der Kirche insgesamt sein.
Sondern?
Als katholischer Rheinländer reagiere ich allergisch auf alle Versuche, die Kirche als „heiligen Rest“ zu konzipieren. So wird sie nämlich zu einer Sekte, die sich aus allem heraushält. So eine Kirche hat in einer modernen Gesellschaft keine Zukunft. Die christliche Botschaft ist eine Botschaft für die Menschen von heute – mit Relevanz für ihren Staat, ihre Gesellschaft und Wirtschaft.
Wo sehen Sie heute Probleme im Umgang der Kirche mit Geld?
Das erste und größte Problem ist der Mangel an Kontrolle und Verantwortlichkeit. Im katholischen Kirchenrecht steht der Bischof zum einen an der Spitze der Verwaltung, zum anderen ist er derjenige, dem die gesamte Verwaltung verantwortlich ist. Das widerspricht jeder modernen Finanzverwaltung, deren Handeln immer noch einmal von unabhängigen Außenstehenden kontrolliert wird.
Dafür gibt es in den deutschen Bistümern doch den Kirchensteuerrat.
Um dessen Unabhängigkeit vom Bischof ist es aber landauf, landab sehr unterschiedlich bestellt. Und durch die sogenannten Bischöflichen Stühle und andere Sonderhaushalte sind in vielen Bistümern zahlreiche Vermögenswerte der externen Kontrolle des Kirchensteuerrates entzogen. Solche Extraschatullen nach feudalem Muster sind zudem auch nach kirchlichem Selbstverständnis überholt. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) wollte die Reste des Pfründewesens ausdrücklich abschaffen. Den ersten Anspruch auf Transparenz und Kontrolle haben übrigens die Christen selber. Denn sie sind es ja, die der Kirche ihr Geld zur Verfügung stellen.
Was Sie sagen, nährt den Verdacht, dass es in der Kirche nicht anders zugeht als in jeder anderen Organisation: Die Geldfrage ist eine Machtfrage – und umgekehrt.
Jedenfalls wird in Deutschland die theologisch begründete Autorität der Bischöfe durch die Finanzkonzentration in ihrer Hand noch einmal gesteigert. Diese Form der Machtballung gibt es nirgends sonst auf der Welt. Die deutschen Bischöfe verfügen über einzigartig hohe Summen.
Das Kirchenrecht hat eben nicht mit sechs Milliarden Kirchensteuer gerechnet.
Eine Verlagerung von Verantwortung weg von den Wasserköpfen der Bistumsverwaltungen hin zu den Regionen und Gemeinden wäre eine wichtige Gegenmaßnahme. Auf der Ebene der Bistümer werden alle möglichen Spielwiesen gepflegt, nur weil die Bischöfe sie für unverzichtbar halten.
Immer mehr Bistümer legen ihre Bilanzen offen – ob freiwillig oder auf Druck der kritischen Öffentlichkeit das sei jetzt einmal dahingestellt. Das ist doch ein Schritt nach vorn, oder?
Das Bemühen um mehr Transparenz ist anerkennenswert. Die uneingeschränkte Bindung aller Finanzhaushalte an eine Aufsicht durch die – kirchliche – Öffentlichkeit steht aber leider noch aus. Damit bleibt Transparenz zu einem gewissen Teil eine Art bischöflicher Gnadenakt. Aber es gibt noch ein zentrales Problem.
Nämlich?
Der Umfang der kirchlichen Vermögensbildung. Das Erzbistum Köln hat ja gerade wieder seine Bilanz vorgelegt. Das Gesamtvermögen beträgt über 3,6 Milliarden Euro – das meiste davon ist in Wertpapieren angelegt. Und das gilt nur für die Ebene des Erzbistums. Die Pfarreien mit ihrem Vermögen sind darin noch gar nicht enthalten. Es entsteht der Eindruck, dass Köln für den Tag vorsorgt, an dem die Kirchensteuer abgeschafft wird.
Was ist ausgerechnet daran so schlimm?
Die Verantwortlichen spielen hier mit dem Feuer. Wenn sie so viel Vermögen anhäufen, legen sie es einigen Politikern nahe, sich für ein Ende des Kirchensteuer-Systems einzusetzen. Das wäre vor allem unsolidarisch gegenüber den finanzschwachen Bistümern, die mit ihren laufenden Verpflichtungen ohne die Kirchensteuer schnurstracks in die Knie gehen würden. Zudem gerät die Kirche mit derart großen Vermögensmassen – da komme ich zurück auf Ihre Eingangsfrage – unweigerlich in immer größere Konflikte mit ihrer Botschaft. Da hält sie in ihren Aktienfonds dann eben doch Anteile an Unternehmen, die in Asien zu unmenschlichen Bedingungen produzieren lassen. Oder sie vermietet Geschäftsimmobilien in bester Lage an Unternehmen, die eine Kampagne für den verkaufsoffenen Sonntag fahren. Sie merken schon: Das knirscht an allen Ecken und Enden – und es knirscht eben umso lauter, je größer das Vermögen ist.
Zur Person, zur Podiumsdiskussion
Bernhard Emunds, geboren 1962 in Aachen, ist katholischer Sozialethiker und Wirtschaftswissenschaftler.
Als Nachfolger des Jesuitenpaters Friedhelm Hengsbach lehrt Emunds seit 2006 an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt. Emunds ist auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).
Zum 100-jährigen Bestehen der Pax-Bank in Köln nimmt Bernhard Emunds an einer öffentlichen Festveranstaltung teil. Über das Thema „Kirche und Geld – Eigentum verpflichtet“ diskutiert Emunds unter anderem mit Kurienkardinal Peter Turkson aus Rom, Marlehn Thieme (Aufsichtsratsvorsitzende der evangelischen KD-Bank) sowie Monsignore Pirmin Spiegel (Vorsitzender des bischöflichen Hilfswerks Misereor). Moderation: Joachim Frank.
Termin: Dienstag 17. Oktober, 17 - 19 Uhr, Sartory-Säle, Eintritt frei, Anmeldung erbeten unter: