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Skandal beim ADAC Skandal beim ADAC: Manipulationen beim Autopreis "Gelber Engel"

Von Timot Szent-Ivanyi 19.01.2014, 10:18
Die Auszeichnung für das "Lieblingsauto" wird bei der ADAC Preisverleihung "Gelber Engel 2014" entgegengenommen. Der ADAC hat Manipulationen beim Autopreis «Gelber Engel» eingeräumt.
Die Auszeichnung für das "Lieblingsauto" wird bei der ADAC Preisverleihung "Gelber Engel 2014" entgegengenommen. Der ADAC hat Manipulationen beim Autopreis «Gelber Engel» eingeräumt. dpa Lizenz

Berlin/MZ - Der ADAC hat nach der eingeräumten Manipulation bei einer Leserwahl ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Auch andere Tests und Untersuchungen des ADAC wie die Pannenstatistik müssten jetzt kritisch durchleuchtet werden, sagte am Sonntag der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. „Wenn sie beim Gelben Engel lügen, könne man das auch für die anderen Bereiche nicht ausschließen“, sagte er. Im System des ADAC laufe grundsätzlich etwas falsch. Er führte das unter anderem auf fehlende Kontrollmechanismen im Verein zurück.

Stimmzahlen gefälscht

Der ADAC hatte zuvor zugegeben, dass die Stimmzahlen bei der Wahl des VW-Golf zum diesjährigen Lieblingsauto der Deutschen gefälscht wurden. Die Rangfolge beim Autopreis „Gelber Engel“ sei aber nicht betroffen. Nach bisher unbestätigten Berichten erhielt der Golf bei der Wahl der Leser der Verbandszeitschrift Motorwelt nicht 34 299 Stimmen, sondern nur 3 409 Stimmen.

Der VW-Golf ist nach einer ADAC-Umfrage das Lieblingsauto der Deutschen. Die Leser der „ADAC Motorwelt“ wählten den Kompaktwagen zu ihrem Favoriten. Der Golf habe sich in der Abstimmung mit großem Vorsprung gegen andere Autos durchgesetzt. Das Magazin hatte den knapp 19 Millionen Vereinsmitgliedern Fahrzeuge aller Klassen zur Wahl gestellt.

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet über Manipulationen bei der Wahl: Demnach soll es nur 3409 Stimmen für das Siegerauto gegeben haben. Ein ADAC-Papier vom Dezember 2013 habe dagegen als Ergebnis für den Gewinner des „Gelben Engels“ 34 299 Stimmen genannt. Der Autoclub weist den Vorwurf zurück, will aber keine Zahlen nennen.

Bei der offiziellen Feier zur Auszeichnung des VW Golf mit dem „Gelben Engel“ in München spricht der Vorsitzende der ADAC-Geschäftsführung Karl Obermair von „Unterstellungen und Unwahrheiten“. Nichts sei älter als die Tageszeitung von gestern: „Mit der packt man den Fisch ein.“ Wie viele Leser sich an der Abstimmung beteiligt hatten, teilt der Verein aber weiter nicht mit.

Der ADAC will künftig die Auswertung der Umfrage für den „Gelber Engel“-Preis extern vergeben. Das kündigte der Kommunikationschef des Automobil-Clubs und „Motorwelt“-Chefredakteur Michael Ramstetter in der Zeitung „Euro am Sonntag“ an. Zur Frage, wie viele Teilnehmer bei den Abstimmungen mitmachen, wolle der ADAC aber auch in Zukunft keine konkreten Zahlen nennen.

Der ADAC räumt nun die Manipulationen ein. Die Zahl der abgegebenen Stimmen sei in der Preiskategorie Lieblingsauto der Deutschen „geschönt“ worden, teilt der Automobil-Club mit. Ramstetter habe eingeräumt, die Zahl der Stimmen bei diesem Preis manipuliert zu haben. Er übernehme dafür „die alleinige persönliche Verantwortung“ und habe alle Funktionen beim ADAC niedergelegt.

Nach Angaben des ADAC gab Kommunikationschef und Motorwelt-Chefredakteur Michael Ramstetter die Manipulation zu und trat zurück. Weder die Geschäftsführung noch das Präsidium des ADAC seien zu irgendeinem Zeitpunkt über die „Unregelmäßigkeiten“ informiert gewesen, versicherte der Club am Sonntag.

Über den Manipulationsverdacht hatte die Süddeutsche Zeitung Anfang vergangener Woche erstmals berichtet. Der ADAC dementierte tagelang, auch noch am Abend der Preisverleihung am vergangenen Donnerstag. Er sprach von Unwahrheiten und Unterstellungen. Nach einem Bericht des Blattes vom Sonntag war auch im vergangenen Jahr die Zahl der abgegebenen Stimmen deutlich zu hoch angegeben. Während offiziell 290 000 Leser teilnahmen, seien es tatsächlich nur 76 000 gewesen, hieß es.

Über die Hintergründe der Manipulation ist bisher nichts bekannt. Es kann nur vermutet werden, dass auch wirtschaftliche Gründe dahinter stecken. Die tatsächliche Teilnehmerquote ist gemessen an der Motorwelt-Auflage von 14 Millionen deutlich geringer als in der Branche bei derartigen Aktionen üblich. Das spricht möglicherweise für eine geringe Nutzung des Heftes. Damit wäre der ADAC aber nicht weiter in der Lage, seine vergleichsweise hohen Anzeigenpreise durchzusetzen. Der jetzt zurückgetretene Chefredakteur Ramstetter hatte 2010 in einem Interview gesagt: „Wir müssen uns zwar nicht am Kiosk verkaufen, aber auch wir müssen unseren Anzeigenkunden immer wieder nachweisen, dass wir gelesen werden.“

„Auch die Pannen- und Tunnelstatistik (des ADAC) müsste man jetzt untersuchen“

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen am Sonntag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa

„Der ADAC hat jetzt die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Karten auf den Tisch gelegt werden.“

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Sonntag in München am Rande der Innovationskonferenz DLD.

„Der ADAC betont, dass weder die Geschäftsführung noch das Präsidium des ADAC zu irgendeinem Zeitpunkt über diese Unregelmäßigkeiten bei der Leserwahl unterrichtet gewesen sind.“

Der ADAC in einer am Sonntag in München veröffentlichten Mitteilung

„... offenbar nur Blendwerk und aufgeblasene Selbstinszenierung“

Der Auto Club Europa (ACE) am Sonntag in Stuttgart über Auszeichnungen in der Automobilbranche

ADAC soll Manipulation aufklären

Volkswagen forderte den ADAC auf, die Manipulation aufzuklären. „Wir sind nach wie der Auffassung, dass der Golf das Lieblingsauto der Deutschen ist“, sagte ein Sprecher von Europas größtem Autobauer. Die Frage sei jedoch, was dieser Preis bei den Begleitumständen überhaupt noch wert sei.

Der ADAC kündigte eine lückenlose interne Prüfung an. Zudem wolle man für künftige Abstimmungen ein notariell überwachtes Verfahren entwickeln, das den Transparenzansprüchen des Clubs gerecht werde.

Der Konkurrent Auto Club Europa (ACE) sprach sich allerdings mit scharfen Worten gegen Auszeichnungen in der Automobilbranche aus. Wer wirklich wissen wolle, welche Wagen am beliebtesten seien, solle auf die fälschungssicheren Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamtes schauen, erklärte der Verein. „Demgegenüber ist alles andere offenbar nur Blendwerk und aufgeblasene Selbstinszenierung“, hieß es in einer Stellungnahme des ACE. Es sei erklärungsbedürftig, warum Repräsentanten namhafter Autohersteller sich diese „peinliche Farce“ weiter antun wollen.

Michael Ramstetter, Leiter Öffentlichkeitsarbeit des ADAC und Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift «Motorwelt", hat nach Manipulationsvorwürfen sein Amt und sämtliche andere Funktionen bei dem Autoclub niedergelegt.
Michael Ramstetter, Leiter Öffentlichkeitsarbeit des ADAC und Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift «Motorwelt", hat nach Manipulationsvorwürfen sein Amt und sämtliche andere Funktionen bei dem Autoclub niedergelegt.
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Der ADAC hat Manipulationen beim Autopreis «Gelber Engel» eingeräumt.
Der ADAC hat Manipulationen beim Autopreis «Gelber Engel» eingeräumt.
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