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Siri will keine Schlampe sein Siri will keine Schlampe sein: Sprach-Assistenten zementieren Sexismus

Von Steffen Könau 07.07.2019, 10:00

Peinlich, was die erste Generation der vielgelobten und unterdessen auch weitverbreiteten digitalen Assistenten von Apple, Google und Amazon anrichtet, wenn sie auf die Probe gestellt wird. Nicht nur, dass Alexa, Siri, Googles Assistent und Microsofts Cortana durchweg mit weiblicher Stimme sprechen. Nein, eine Unesco-Analyse förderte jetzt auch zutage, dass die elektronischen Helfer auf eine Art programmiert sind, die Vorurteile zementiert und Geschlechterklischees verfestigt.

Das zumindest behauptet ein 146-seitiges Papier der Forscher Mark West, Rebecca Kraut und Han Ei Chew, das mit finanzieller Unterstützung des deutschen Entwicklungshilfeministeriums erstellt wurde.

Siri will keine Schlampe sein

„Ich würde rot werden, wenn ich könnte“, ist die Studie überschrieben, ein Zitat der Antwort, die Apples Assistentin Siri gibt, wenn ein Nutzer sie als „Schlampe“ bezeichnet. Bei Amazons Alexa kommt auf denselben Vorhalt nur ein karges „Danke für dein Feedback“, Microsofts Entwickler haben ihr System sogar so programmiert, dass es sich dumm stellt: „Tut mir leid, das habe ich nicht verstanden“, heißt es auf die Beleidigung höflich.

Der Unesco-Bericht kritisiert daran, dass kein System darauf aufmerksam mache, dass solche sexistischen Beleidigungen nicht angebracht seien. Statt dass Siri, Alexa und Co. verbale Ausfälle ihrer Besitzer konterten, nähmen sie sie klaglos hin. Das, glauben die Autoren, verschaffe Beleidigungen Akzeptanz und verstärke eine Tendenz zur Verrohung. Zudem unterstütze der erweckte Eindruck, dass es sich bei den vermeintlich weiblichen digitalen Assistenten um gefügige Helfer handele, die digitale Kluft zwischen Männern und Frauen.

Letztere berichteten 1,6-mal häufiger als Männer über mangelnde eigene Fähigkeiten, die für sie zum Hindernis für die Internetnutzung werden. Gleichzeitig seien nur zwölf Prozent der Beschäftigten im  Bereich „machine learning“, in dem auch die Digitalassistenten  entwickelt werden, weiblich.

Ein Paradoxon, heißt es: Nicht einmal Länder mit einem höheren Maß an Gleichstellung hätten deshalb automatisch mehr Frauen in High-Tech-Berufen. Selbst im digitalen Zeitalter zeigen sich in diesen Zahlen das Erbe einer patriarchalischen Kultur - auch bei Google, dem Internetkonzern, der sich als beispielhaft begreife, seien nur 30 Prozent der technischen Mitarbeiter weiblich. Unter den höherbezahlten Führungskräften sei sogar nur jeder vierte Chef eine Frau.

Die Equals Skills Coalition - ein Zusammenschluss für mehr Chancengleichheit in der Technologiebranche - sieht in weiblichen Digitalassistenten eine Hürde auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit im virtuellen Raum.

Zwar können Siri und Googles Assistent vom Nutzer auf eine männliche Stimme umgestellt werden. Im Arabischen, Französischen, Niederländischen und im britischen Englisch ist die männliche Stimme sogar die Standardeinstellung. Doch so lange Männer die Mehrheit der Programmierer stellten, würden digitale Helfer nach männlichen Vorstellungen gestaltet. Dies schrecke Frauen ab, Technologie selbstbewusst zu nutzen und selbst zu Gestaltern neuer Techniken wie der Sprachsteuerung zu werden.

Dabei stecken die Entwickler von Sprachassistenten in einem Dilemma. Nach Angaben von Amazon haben Studien ergeben, dass weibliche Stimmen als angenehmer, freundlicher und entspannter wahrgenommen werden - nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen. Dennoch ist Alexa - ein Name, der sich nicht von Alexandra, sondern von der klassischen Bibliothek in Alexandria ableitet - eine Ausnahme unter den Helfern.

Fragt man die Sprachbox, ob sie Mann oder Frau sei, bezeichnet sie sich als „Feministin“. Siri, Cortana und Google dagegen verweigern eine so klare Festlegung. Siri könne mit weiblicher, aber auch mit männlicher Stimme genutzt werden, heißt es bei Apple. Microsoft nennt Cortana ein „Wesen“, das eigentlich geschlechtslos ist wie sein Name. Googles Assistent hat gar keinen, seine oder ihre Stimme aber mutet eben doch eher weiblich an. Auf Nachstellungen reagieren aber inzwischen alle Assistentinnen empfindlich: Auf die Frage, ob Siri Sex haben möchte, antwortete sie „Ich bin nicht diese Art von Assistentin“. (mz)