Schweiz regelt Zuwanderung Schweiz regelt Zuwanderung: Zuwanderer bringen der Schweiz Geld

Anfang Januar war in der schweizerischen Hauptstadt Bern ein bemerkenswertes Schauspiel zu beobachten: Ein Dutzend Wirtschaftsverbände hatte zu einem Termin geladen, um sich gegen die Initiative „Gegen Masseneinwanderung“ der national-konservativen SVP in Stellung zu bringen. Ohne Erfolg, wie man heute weiß. Aber doch aus guten Gründen.
Die kleine Schweiz ist bekanntlich ein hoch industrialisiertes Land. Sie ist reich und eine Drehscheibe des Welthandels. Kurzum: Die Unternehmen befürchten riesige Nachteile, falls sich das Land aus den europäischen Strukturen ausklinkt und Freizügigkeit von EU-Arbeitnehmern einschränkt.
Europa ist schließlich der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Jeder dritte Export-Franken wird dort verdient, jeder dritte Job hängt von den Beziehungen zur Union und ihrem riesigen Markt mit 500 Millionen Menschen ab. Die Schweiz selbst ist nicht EU-Mitglied. Die Arbeitnehmer-Freizügigkeit aber ist zentraler Bestandteil eines Vertrags-Pakets aus dem Jahr 1999, das den Warenaustausch zwischen beiden Seiten erheblich erleichtert hat. Doch wenn eine Vereinbarung aufgekündigt wird, fallen automatisch auch die anderen. So steht es in den Verträgen. Und die Schweizer sind nicht nur auf den europäischen Markt angewiesen. Sondern auch auf die Fachkräfte, die von dort kommen.
40 Prozent Ausländer in Hotellerie
Bei dem Termin im Januar etwa warnte der Präsident des Arbeitgeberverbands, dass die Unternehmen im Falle von Zuwanderungs-Restriktionen technologisch ins Hintertreffen geraten würden. In der Schweiz gebe es nicht genügend Spezialisten. „Wer die Schweiz und damit den Arbeitsmarkt abschotten will, beraubt uns unserer Innovationen.“ Ähnlich argumentierte der Verband der Chemie- und Pharma-Industrie, der die größte Exportbranche des Landes vertritt. 65 000 Beschäftigte hat der Sektor in der Schweiz, fast die Hälfte sind EU-Ausländer. Auch die Hotellerie gab zu bedenken, dass das Gewerbe mehr als 40 Prozent Ausländer beschäftige. Und beim Verband der Spitäler hieß es: „Ende 2012 stammten fast ein Viertel der Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland. Beim Pflegepersonal kamen je rund zehn Prozent aus Frankreich und Deutschland.“
Das Abkommen zur Personenfreizügigkeit ist 2002 in Kraft getreten. Es gilt in beide Richtungen: Auch Schweizer Bürger können sich jederzeit in der Europäischen Union einen Job suchen. Seit Inkrafttreten haben sich jedes Jahr rund 80 000 EU-Bürger in der Schweiz niedergelassen. Mehr als die Hälfte der Zuzügler hat einen Hochschulabschluss, nur ein Bruchteil von ihnen ist arbeitslos.
Zu den Nutznießern der neuen Einwanderung gehören nicht nur die Unternehmen. Sondern auch Staat und Sozialversicherung. Darauf weist die Industrieländer-Organisation OECD hin. „Kein anderes westliches Land hat in fiskalischer Hinsicht so sehr von Zuwanderung profitiert wie die Schweiz. Das hat natürlich auch dazu beigetragen, dass die Steuern dort niedrig gehalten werden konnten“, sagt OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig. Die Zuwanderer zahlten deutlich mehr in die öffentlichen Haushalte ein, als sie kosten: Rechne man ihre Steuerzahlungen und Abgaben gegen die Kosten für Verwaltung, Sozialkassen und Infrastruktur, bleibe unterm Strich pro Jahr ein Plus von mindestens 6,5 Milliarden Franken (5,3 Milliarden Euro).