Schkopau früher vom Netz? Schkopau früher vom Netz?: Warum Haseloff zum Krisengespräch im Kanzleramt war

Halle (Saale) - Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat seine Koffer schnell gepackt. Das Deutsch-Russische Rohstoffforum verließ der Regierungschef am vergangenen Donnerstag vorzeitig, um am Abend ein Krisengespräch im Kanzleramt zu führen. Bei diesem ging es um nichts Geringeres als die Aufkündigung des Kohlekompromisses. Denn im CDU-geführten Bundeswirtschaftsministerium wird erwogen, das Braunkohlekraftwerk Schkopau (Saalekreis) vorzeitig vom Netz zu nehmen. Für Haseloff ist das „inakzeptabel“.
Poker um Entschädigungen
Doch der Reihe nach: Anfang 2019 feierten die Bundesregierung und die ostdeutschen Länderchefs den Kohlekompromiss. In der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ wurden 40 Milliarden Euro Strukturhilfe zugesagt und ein Ausstiegsdatum für 2038 festgelegt. Zuerst sollen ältere Kraftwerke in Westdeutschland vom Netz gehen, ab 2030 die moderneren in Ostdeutschland. Doch schon damals wurde bemängelt, dass das nur mündlich vereinbart wurde.
Aktuell haben die Braunkohle-Kraftwerke eine Kapazität von 19,9 Gigawatt, die Steinkohle-Kraftwerke von 22,7 Gigawatt. Bis 2023 sollen durch Stilllegungen die Leistungen auf jeweils 15 Gigawatt sinken. Ab 2030 sollen nur noch neun Gigawatt Braunkohlestrom und acht Gigawatt Strom aus Steinkohle im Netz sein. Aktuell verhandelt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit den Energiekonzernen über Entschädigungen für die Stilllegungen. „Er hat Probleme, die Kapazitäten zusammen zu bekommen“, sagte ein Beteiligter der MZ. Der Energiekonzern Uniper hat angeblich sogar die Zusage erhalten, ein neues Steinkohlekraftwerk im nordrhein-westfälischen Datteln ans Netz zu bringen. Dafür, so wird zumindest spekuliert, soll das Uniper-Kraftwerk in Schkopau bereits 2026 vom Netz gehen. Uniper teilte auf MZ-Anfrage mit: „Eine Entscheidung über die Schließungszeitpunkte einzelner Anlagen gibt es nicht.“
Für Haseloff kommt ein vorzeitiges Aus nicht in Frage: „Wir hatten vereinbart: Erst müssen erste Erfolge beim Strukturwandel sichtbar werden, dann folgt die Stilllegung.“ Ergebnisse des Krisengesprächs im Kanzleramt wurden indes nicht bekannt. Fest steht, Sachsen-Anhalt soll insgesamt 4,8 Milliarden Euro erhalten, um Unternehmen anzusiedeln, Forschung voranzutreiben und Infrastruktur wie Straßen und Bahnlinien zu bauen.
Vom Kraftwerk Schkopau ist auch der Tagebau Profen der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (Mibrag) abhängig. Das Bergbau-Unternehmen liefert jährlich acht Millionen Tonnen Braunkohle. Die Mibrag wollte am Montag zu den Vorgängen keine Stellungnahme abgeben.
Für den Weißenfelser SPD-Landtagsabgeordneten Rüdiger Erben kündigt der Bundeswirtschaftsminister den Kompromiss zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung auf. „Was hier die CDU-Politiker Altmaier und Laschet einfädeln, das wäre der Todesstoß für den Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier“, sagt Erben. „In Nordrhein-Westfalen ein weiteres neues Kraftwerk, das mit Import-Steinkohle betrieben wird, dafür nimmt man hier ein leistungsfähiges Kraftwerk zehn Jahre früher vom Netz und gefährdet die Arbeitsplätze in der Braunkohleförderung ohne Not.“
Mibrag-Eigner besitzt Veto
Für eine vorzeitige Abschaltung spricht, dass der Bund offenbar Entschädigungen für Kraftwerksabschaltungen nur bis 2027 zahlen will. Das Uniper-Management könnte diese noch mitnehmen wollen. Dagegen spricht, dass die Saale-Energie, eine Tochter des tschechischen Mibrag-Eigners EPH, 41,9 Prozent der Schkopauer Kraftwerksanteile hält. „Gegen den Willen von EPH und Mibrag kann das Kraftwerk nicht vorzeitig vom Netz gehen“, sagt ein Insider der MZ.
Zudem versorgt das Kraftwerk den angrenzenden Chemiepark mit Strom und Dampf. Eine derzeit diskutierte Umrüstung des Kraftwerks auf Gas innerhalb von sechs Jahren halten Experten für kaum realistisch. Allein die Genehmigungsverfahren bis zum Baubeginn würden mindestens drei Jahre in Anspruch nehmen.
In dieser Woche will das Bundeswirtschaftsministerium die Gespräche mit den Kraftwerksbetreibern fortsetzen. Der Ausgang ist offen.
(mz)