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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Letztes Porzellan-Werk liegt in Scherben

Von Steffen Höhne 31.07.2015, 05:25
Mitarbeiterinnen des Porzellan-Werkes kontrollierten Tassen und Teller nach der Produktion auf Schäden.
Mitarbeiterinnen des Porzellan-Werkes kontrollierten Tassen und Teller nach der Produktion auf Schäden. Sven Gückel Lizenz

Annaburg/MZ - In Annaburg endet eine Unternehmens-Ära: 1874 wurde in der Stadt an der Landesgrenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg erstmals Porzellan hergestellt. Trotz vieler Höhen und Tiefen lief die Produktion stets ohne Unterbrechung. Am Freitag stellt die Annaburg Porzellan GmbH die Fertigung ein - sehr wahrscheinlich für immer. Sachsen-Anhalt verliert damit seinen letzten Porzellan-Hersteller.

Lagerverkauf geplant

Wer bei der Landesregierung in Magdeburg Kaffee serviert bekommt, der trinkt diesen aus Tassen von Annaburg. Und wer auf einem Kreuzfahrtschiff der Rederei Aida frühstückt, tut dies wahrscheinlich auch auf Porzellan mit dem A auf der Unterseite. Das Unternehmen aus dem Kreis Wittenberg konnte in der Vergangenheit einige Erfolge vorweisen. Im umkämpften Porzellan-Markt hatte es der vergleichsweise kleine Betrieb mit 60 Mitarbeitern allerdings nie leicht, sich zu behaupten.

Im Juni meldete das Unternehmen Insolvenz an. Wie die MZ jetzt erfuhr, bemühte sich der Firmeninhaber Peter Ploss bereits seit geraumer Zeit, einen Partner zu finden. Ohne Erfolg. Der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas Flöther aus Halle leitete ebenfalls einen Verkaufsprozess ein. „Einige Interessenten hatten sich auch gemeldet“, sagt Flöther der MZ. Doch diese hätten keine Kaufangebote abgegeben. Flöther zieht nun die Reißleine. Allen Mitarbeitern werde gekündigt. Für die Angestellten, von denen viele schon lange im Unternehmen arbeiten, ist dies bitter. In den nächsten Wochen wird es nur noch einen Lagerverkauf geben, um die vorhandenen Bestände zu reduzieren. Sollte sich in den kommenden zwei Monaten noch ein Investor finden, könnte die Produktion auch wieder aufgenommen werden. Die Chancen sind eher gering.

Produktionskosten zu hoch

In Annaburg werden unter anderem Kleinserien von 250 bis 1 000 Teilen produziert. Die Herstellung ist aufwendig, ein Produkt wechselt „30 bis 35 Mal die Hände“, bevor es fertig ist. Laut Flöther sind die Produktionskosten zu hoch gewesen, um im Wettbewerb zu bestehen. Nach MZ-Informationen musste die Firma in der Vergangenheit schon bei einigen Aufträgen draufzahlen.

Die Familie Ploss hatte das Unternehmen Anfang der 90er Jahre übernommen. Der Bayer Peter Ploss modernisierte die Fertigung und führte neue Produkte ein. Über Jahre gelang es Ploss, die Firma in einer Nische zu halten. Am Ende funktionierte das nicht mehr.

Die Insolvenz von Annaburg reiht sich ein in eine lange Liste von Pleiten in der deutschen Porzellan-Industrie. In den neuen Ländern sind seit der Wende 90 Prozent der Hersteller verschwunden. Mit Kahla Porzellan aus Thüringen und Meissen aus Sachsen gibt es nur noch zwei größere Produzenten. Doch auch in Westdeutschland gerieten namhafte Hersteller wie Rosenthal in Schieflage.

Konkurrenz aus Asien

René Holler, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Keramischen Industrie, führte zuletzt dafür zwei wesentliche Gründe auf: Die starke Konkurrenz durch asiatische Hersteller und ein verändertes Verbraucherverhalten. Inzwischen wird mehr als die Hälfte des deutschen Porzellans aus Asien importiert. Möbelhäuser wie Ikea lassen dort fertigen. Zudem greifen die Verbraucher laut Holler nicht mehr so oft zu: Die Kunden kaufen eher sechs- statt zwölfteilige Sets. „Die Familien werden tendenziell kleiner, das wirkt sich aus.“

Annaburg war zu klein, um eine starke Marke aufzubauen. Auch viele Ostdeutsche kennen den Porzellan-Hersteller nicht. Fehlende Bekanntheit gepaart mit einem rückläufigen Markt führten am Ende zum Aus.