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Rezeptpflichtige Medikamente Rezeptpflichtige Medikamente: Verbot für Versandhandel wird wohl nicht kommen

Von Timot Szent-Ivanyi 31.10.2016, 15:05

Berlin - Gesundheitsminister Hermann Gröhe  (CDU)  wird aller Voraussicht nach  mit seinem Versuch, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten zu verbieten, Schiffbruch erleiden. Nicht nur der Koalitionspartner SPD äußert sich kritisch zu dem Plan, sondern auch die Grünen. Gröhe solle sich nicht mit Schnellschüssen befassen sondern eine Regelung suchen, die im Einklang mit dem europäischen Recht stehe,  sagte die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche am Montag dieser Zeitung. „Wir halten das diskutierte Verbot von Versandapotheken für schwer umsetzbar“, betonte die Grünen-Politikerin. Die Grünen sind zwar im Bundestag nur in der Opposition. Im Bundesrat können sie die Pläne aber zum Scheitern bringen, sollte die SPD doch noch umfallen.

Deutsche Apotheker starteten Kampagne

Der Europäische Gerichtshof hatte Mitte Oktober geurteilt, dass die deutsche Preisbindung bei Medikamenten nicht für ausländische Versandapotheken gilt. Daraufhin hatten die deutschen Apothekerverbände eine beispiellose Lobbykampagne  in Gang gesetzt und  ein Verbot des seit 2004 erlaubten Versandhandels mit rezeptpflichtigen Medikamenten gefordert.

Andernfalls, so die Warnung, werde es zu einem massenhaften Apothekensterben kommen. Am vergangenen Freitag kündigte Minister Gröhe dann an, sein Ministerium bereite einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.  Er begründet das mit der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Patienten.

Genau diese Argumentation halten die Grünen jedoch nicht für  stichhaltig.  Schließlich habe der Gerichtshof in seinem Urteil klargestellt, dass ein Eingriff in den Apothekenmarkt nicht mit der ländlichen Versorgungsqualität gerechtfertigt werden könne, sagte Schulz-Asche. Die Bundesregierung müsse endlich die vielfältigen Verbraucherinteressen der Patienten in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen und die Chancen und Risiken aller  Alternativen prüfen, forderte sie.

Rechtslage umstritten

Ob ein Verbot rechtlich überhaupt zulässig ist, ist umstritten. Die Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA) argumentiert, das EU-Recht erlaube einen Eingriff in das Grundprinzip des freien Warenverkehrs, wenn es um den Schutz der Gesundheit gehe.

Tatsächlich machen viele Mitgliedsländer davon Gebrauch: So ist der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten nur in sieben von 28 Mitgliedsstaaten möglich. Dabei handelt es sich neben der Bundesrepublik um Dänemark, Estland, Finnland, die Niederlande, Schweden und Großbritannien.

Durch das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist allerdings eine neue Situation entstanden, die eine erneute Bewertung der rechtlichen Lage erfordert. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis ist zumindest der Auffassung, dass ein Verbot gegen deutsches Recht verstößt. Schließlich würde eine Untersagung auch inländische Versandapotheken treffen, denen man aber das Geschäft nicht einfach  untersagen könne.

Bundesverband hält Verbot für verfassungswidrig

Davon ist auch der Bundesverband Deutscher Versandapotheken überzeugt. Verbandschef Christian Buse sagte dieser Zeitung,  ein Verbot wäre verfassungswidrig, da es die im Grundgesetz garantiert Berufsfreiheit einschränkt. Er gab Gröhe keine Chance, seinen Plan umzusetzen. „Auch das Wirtschafts- und das Justizministerium müssen schließlich zustimmen“, so Buse. Wenn es Gröhe tatsächlich um die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung gehe,  gebe es statt eines Verbots „mildere Mittel“. Konkret schlug Buse vor, die  Nacht- und Notdienste, von denen insbesondere die Apotheken im ländlichen Raum überproportional betroffen sind, besser zu vergüten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Arzneimittelpreise entstehen

Unterschiede: Die Entstehung der Arzneimittelpreise in Deutschland ist eine komplizierte Sache. Sie hängt von zahlreichen Faktoren ab. Für die Preisbildung in der Apotheke lässt sich grob unterscheiden zwischen den freiverkäuflichen und den rezeptpflichtigen Arzneimitteln: Für Medikamente, die auf bloßes Verlangen der Patienten abgegeben werden, können die Apotheken die Preise frei festlegen. Für Mittel, die vom Arzt verschrieben werden, gelten hingegen die Regeln der Arzneimittelpreisverordnung.

Rezeptpflichtige Arzneimittel: Die Arzneimittelpreisverordnung legt fest, dass ein rezeptpflichtiges Medikament überall zum gleichen Preis verkauft werden muss. Konkret bedeutet das, dass die Apotheke auf den Preis, zu dem sie das Medikament kauft, einen prozentualen Aufschlag von drei Prozent sowie einen absoluten Aufschlag von 8,35 Euro erheben darf. Hinzu kommen noch die Mehrwertsteuer (19 Prozent) sowie der Notdienstzuschlag (16 Cent).

Begründung: Die strikte Preisregulierung für verschreibungspflichtige Arzneimittel wird einerseits damit begründet, dass Patienten in Notlagen davor geschützt werden sollen, dass sie der Apotheker abzockt. Weiterhin soll so gewährleistet werden, dass die Apotheken sich um eine qualitativ hochwertige Versorgung kümmern. Außerdem soll mit den Preisgarantien die flächendeckende Apotheken-Infrastruktur aufrechterhalten werden.

Freiverkäufliche Arzneimittel: Seit die rezeptfreien, apothekenpflichtigen Arzneien im Jahr 2004 von der Erstattung durch die Krankenkassen ausgenommen wurden, können die Apotheken die Preise für diese Medikamente nach Belieben festlegen. Dabei können auch Kriterien eine Rolle spielen, die mit der eigentlichen Gesundheitsversorgung nichts mehr zu tun haben: Etwa Kundenbindung oder die Verdrängung eines unliebsamen Wettbewerbers.

Sonderfälle: Für bestimmte Arzneien und Fälle gelten andere Regeln.