Hilfsprogramme Rettungsfonds: das geschah mit den Milliarden für Griechenland

Berlin - Griechenlands Staatshaushalt scheint ein Fass ohne Boden. Seit 2010 hat Athen im Rahmen zweier Rettungspakte insgesamt fast 216 Milliarden Euro erhalten. Im Gegenzug musste die Regierung Renten kürzen, den Mindestlohn senken, öffentlich Bedienstete entlassen und Steuern erhöhen. Nennenswerte Fortschritte blieben gleichwohl aus. Die Wirtshaft des Landes liegt nach wie vor am Boden. Auf Druck der internationalen Gläubiger wird die Regierung in Athen am Sonntag eine Art Vorratsreformpaket mit erneuten Rentenkürzungen beschließen, um eine Zusage für frisches Geld zu erhalten. Unterdessen legt ein 48-stündiger Generalstreik das Land lahm. Für Sonntag haben die Gewerkschaften zudem zu Großdemonstrationen gegen die Sparpläne in Athen und anderen Städten aufgerufen. Es scheint, als habe alle Hilfe nichts genützt.
Studie: Hilfsprogramme falsch konzipiert
Der Schein trügt nicht. Allerdings ist dies nicht allein und nicht einmal in erster Linie dem Schuldner Griechenland anzulasten, sondern der Konzeption der Hilfsprogramme. Diesen Schluss legt eine Studie der European School of Management and Technology (ESMT) mit Sitz in Berlin nahe, in der die einzelnen Kredittranchen der vergangenen Jahre eingehend untersucht wurden. Die Kritik der Autoren Jörg Rocholl und Axel Stahmer an der Zielrichtung des Hilfsansatzes lässt sich recht gut am Anlass des aktuellen Generalstreiks veranschaulichen: Im Juli muss Athen 3,666 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds IWF, die Europäische Zentralbank und die EU zurückzahlen; genau dafür benötigt die Regierung unter Alexis Tsipras wiederum neue Kredite, wofür im Gegenzug Reformen verlangt werden, die weite Teile der Bevölkerung belasten. Kurz: Alte Kredite werden durch neue ersetzt, während es vielen Menschen nochmals schlechter, aber der Wirtschaft nicht besser geht.
Nur ein Bruchteil kam der Bevölkerung zugute
Dieser Zusammenhang ist ebenso bekannt wie die Kritik daran. Neu ist, dass die ESMT-Forscher nun erstmals präzise Zahlen über den Verbleib der 216-Milliarden-Euro-Hilfe vorgelegt haben. Das Ergebnis mutet nachgerade erschütternd an: Gerade einmal 9,7 Milliarden Euro der Riesensumme kamen tatsächlich dem griechischen Staatshaushalt und somit mittelbar der griechischen Bevölkerung zugute. Mit dem Löwenanteil von 86,9 Milliarden Euro wurden alte Schulden abgelöst und in neue verwandelt, 52,3 Milliarden Euro mussten für den Zinsendienst aufgewandt werden. Den drittgrößten Batzen über 37,3 Milliarden Euro floss in die Rekapitalisierung griechischer Banken, die andernfalls Bankrott gegangen wären.
Eine griechische Bankenpleite großen Stils hätte aber privaten Gläubigern, insbesondere deutschen und französischen Großbanken ebenfalls enorme Verluste beschert. Bei ihnen nämlich standen griechische Institute mit Milliarden in der Kreide. Insofern dienten die Mittel für Hellas‘ Bankenwesen vor allem der Schonung des deutsch-französischen Finanzsektors. Die griechischen Banken hatten hingegen nicht dauerhaft etwas von der Finanzspritze: Sie haben in den vergangenen 30 Monaten rund 98 Prozent ihres Börsenwertes eingebüßt.
Wirksamer wäre laut Rocholl und Stahmer ein Schuldenschnitt im Jahr 2010 gewesen. Dagegen aber wehrte sich die Bundesregierung damals vehement. Sie tut es bis heute.