Rendite ohne Reue: Mit Ökologie und Ethik Geld zu verdienen
Frankfurt/Main/dpa. - Geldverdienen mit gutem Gewissen - das wollen immer mehr Menschen in Europa. Der Markt für so genannte nachhaltige Anlagen boomt. Allein 2006 verdoppelte sich im deutschsprachigen Markt die Summe fast, die in ökologisch, sozial oder ethisch orientierte Fonds investiert wurde.
In Europa waren es 2006 nach Schätzungen 1,5 Billionen Euro. Nicht zuletzt wegen der Debatte um den Klimawandel verlangen Verbraucher nach Rendite ohne Reue - und fordern mehr Moral von Managern. Nach der Welle der Empörung, die das Siegeszeichen des lachenden Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann im Gerichtssaal auslöste, haben auch viele Bosse die Zeichen der Zeit erkannt und schreiben sich Umweltschutz, soziales Engagement und moralisch korrektes Handeln auf die Fahnen. Manchem Kritiker gehen die Anstrengungen aber noch nicht weit genug.
Nach Meinung des Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft zahlt es sich für Unternehmen aus, mit Engagement für Arme, Kranke oder die Umwelt ihr Image aufzupolieren. «Manager glauben, dass Ethik Geld kostet, aber kein Geld bringt - das ist ein Irrglaube», sagt Verbandspräsident Ulf D. Posé. Obwohl er bei vielen Unternehmen noch Nachholbedarf sieht, findet er nicht alle Kritik berechtigt - etwa die öffentliche Empörung beim Stellenabbau der milliardenschweren Deutschen Bank. «Ackermann ist zum Feindbild geworden - dabei darf man nicht vergessen, dass global gesehen Entlassungen in einem Land keineswegs automatisch unethisch sind», sagt Posé.
Der Unternehmer Friedhelm Loh, derzeit Präsident des Elektroverbandes ZVEI, bekräftigt: «In Deutschland sind die Forderungen an das Verhalten von Managern sehr hoch.» Loh bekennt sich als Christ und will das auch in seiner Unternehmensgruppe mit Hauptsitz im mittelhessischen Haiger deutlich machen. Die Mitarbeiter versorgt er mit frommen Zeitschriften, am Jahresende gibt es einen Kalender mit Bibelversen, Loh selbst spendet - ganz bibeltreu - den zehnten Teil seines Einkommens. Doch der Firmenchef weiß: «Es gibt kein christliches Unternehmen, Glaube ist immer individuell.»
Immerhin jedoch heißt es in den Grundsätzen der Friedhelm Loh Group: «Wir sind uns bewusst über die Verantwortung gegenüber unserer Umwelt und dem Umfeld, in dem wir leben. Wir wollen mitgestalten und verbessern.» 2006 machte der Hersteller von Schaltschränken mit weltweit 11 500 Mitarbeitern 1,8 Milliarden Euro Umsatz, in diesem Jahr sollen es zwei Milliarden werden. «Nur erfolgreiche Unternehmer können sozial sein», sagt Loh. Wie viel Geld das Unternehmen spendet, verrät er nicht.
Bei der Steyler Bank flossen im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Euro weltweit in Hilfsprojekte der Steyler Missionare, die das Institut mit Sitz in St. Augustin bei Bonn gegründet hatten. «Ethik im Bankgeschäft ist für uns kein Verkaufstrick, sondern unser Kerngeschäft», betont der Geschäftsführer der Bank, Norbert Wolf. «Letztendlich muss der Kundenwunsch im Vordergrund stehen, nicht irgendein Produktverkauf.» Die derzeit 15 000 Kunden wüssten genau, wo ihr Geld angelegt werde. «Wir tun bewusst nicht alles, was wir tun dürften. Wir halten uns zum Beispiel bei Krediten zurück, die nur dem Konsum dienen und investieren nicht in Unternehmen, die bestimmte ökologische und soziale Kriterien nicht erfüllen», erläutert Wolf.
Auch bei größeren Unternehmen sind Vermögen und Verantwortung längst kein Gegensatz mehr. Immer mehr Unternehmen, die Geldverdienen mit Umweltschutz verbinden, streben an die Börse. An der Frankfurter Börse gibt es seit Anfang Juni einen «ÖkoDAX» aus Unternehmen, die sich für Energie aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse stark machen. Zwar halten Kritiker den Index für einseitig und werfen der Börse vor, sie wolle nur mit dem Dauerbrenner Klimaschutz Kasse machen. Doch grüne Geldanlagen sind ungeachtet solcher Kritik im Trend.
«Viele Finanzdienstleister nutzen die Gunst der Stunde und versuchen, mit Ökologie und Ethik Geld zu verdienen», sagt der Stuttgarter Finanzwissenschaftler Henry Schäfer. Nach Zahlen der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel hat sich das Volumen nachhaltiger Publikumsfonds in Deutschland, Österreich und der Schweiz von 2005 auf 2006 nahezu verdoppelt: von 9,7 Milliarden Euro auf 18,2 Milliarden Euro - und das, obwohl sich die Zahl dieser Fonds nur um 7 auf 137 erhöhte. Im ersten Halbjahr 2007 erhöhte sich das Volumen nach ersten Zahlen der EBS-Experten um den Volkswirt Paschen von Flotow auf gut 25 Milliarden. Trotz dieser rasanten Entwicklung ist der Markt für alternativen Kapitalanlagen hier zu Lande noch eine Nische. «Deutschland ist in Sachen nachhaltige Geldanlagen ein Entwicklungsland», sagt Schäfer. «Anleger müssen sich klar werden, was sie sein wollen: Renditejäger oder Gutmenschen.»
Ethikverband der Deutschen Wirtschaft e.V.: www.ethikverband.de
«ÖkoDAX»: boerse-frankfurt.com