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Raumfahrt Raumfahrt: Versichert im Orbit

Von Th. Magenheim-Hörmann 29.10.2013, 07:52
Die Computersimulation der Europäischen Raumfahrtorganisation Esa zeigt, wie umzingelt die Erde (Mitte) von unterschiedlichen Objekten ist. Mehr als 13 000 im Orbit sind bekannt und katalogisiert.
Die Computersimulation der Europäischen Raumfahrtorganisation Esa zeigt, wie umzingelt die Erde (Mitte) von unterschiedlichen Objekten ist. Mehr als 13 000 im Orbit sind bekannt und katalogisiert. dpa Lizenz

München/MZ - Den Weltraumthriller „Gravity“, der gerade die Kinohitlisten anführt, wollen sich Ernst Steilen und Christian Riedl schon berufsbedingt nun endlich ansehen. Aber die beiden Männer sind sicher, das dramatische Geschehen weitgehend entspannt verfolgen zu können. „Da geht es um Risiken, mit denen wir seit vielen Jahren vertraut sind“, erklärt Steilen seine Gelassenheit. Er ist Leiter der Abteilung Raumfahrtpolicen beim Münchner Versicherungsriesen Munich Re, Riedl sein designierter Nachfolger. Im Film löst Weltraumschrott im Erdorbit eine Kettenreaktion aus, der Satelliten und Raumstationen in Serie zerstört. Die wahren Gefahren aber lauern anderswo, wissen die beiden Assekuranzexperten.

Jedes mehr als zehn Zentimeter große Trümmerteil im Erdorbit sei kartografiert, erklärt Riedl. So fliege die internationale Raumstation ISS jedes Jahr mehrere Ausweichmanöver. Überhaupt würden Raumstationen nicht versichert, weil sie staatseigen sind. Policiert werde dagegen praktisch jede Raumfahrtaktivität, bei der ein privater Betreiber Geld verdienen will, erklärt Steilen sein Geschäft. Das sind dann meist Kommunikationssatelliten und deren Starts sowie mögliche Folgeschäden, wenn etwas schiefgeht.

Geschäft ist riskant

„Das größte Risiko ist technisches Versagen“, klärt Riedl auf. Er beziffert es auf kalkulatorisch gut 90 Prozent. Keine zehn Prozent blieben für die Risiken Weltraumschrott, Meteoritenschauer und Sonnenstürme. Manchmal grenze es ans Lächerliche, was den Absturz einer Rakete und den Totalverlust von Satelliten auslösen kann. Riedl erinnert sich an einen Putzlappen, den ein Techniker in der Treibstoffleitung einer US-Rakete vergessen hatte.

„Das Geschäft ist riskant“, räumt Steilen ein. „Aber für uns profitabel“, schickt er lächelnd nach. Denn die Prämien seien entsprechend hoch und die Munich Re seit den Anfängen der kommerziellen Raumfahrt in den 70er Jahren mit dabei. Das schafft nötige Risikoexpertise. Wie profitabel Weltraumpolicen für die Munich Re sind, verschweigen die Manager. Das Weltmarktvolumen für derartige Policen beziffern sie auf jährlich rund eine Milliarde Dollar, woran die Munich Re als Weltmarktführer etwa ein Fünftel Anteil hat. Das Prämienvolumen ist, angesichts der auf dem Spiel stehenden Summen nicht übermäßig hoch.

An den bisher größten Schadensfall der Branche kann sich Riedl gut erinnern. Erst Anfang Februar diesen Jahres musste man einen Kommunikationssatelliten als Totalverlust verbuchen, den die russisch-ukrainische Privatfirma Sea Launch von einer umgebauten Ölplattform in der Südsee aus in den Orbit bringen wollte. 406 Millionen Dollar wurden dabei auf einen Schlag fällig.

Im Schnitt stehen pro Satellitenstart rund 250 Millionen Dollar im Feuer, verrät Riedl. Das nächste Mal zittern wird er am 22. November. Dann startet die US-Firma Space X mit ihrer Trägerrakete Falcon 9 zum Versorgungsflug der Weltraumstation ISS. Das zeigt, wohin die Reise in der Raumfahrtindustrie auch für die Assekuranz gehen könnte.

Immer mehr Privatunternehmen

„Es wird verstärkt Privatunternehmen in der Raumfahrt geben, weil staatliche Budgets unter Druck stehen“, weiß Steilen. Neben Space X übernimmt mit Orbital Science eine zweite US-Privatfirma künftig die ISS-Versorgung. Über Policen für deren Versorgungsflüge wird derzeit verhandelt, verrät Riedl. Zudem steht der Weltraumtourismus 2014 mit ersten Flügen des US-Konzerns Virgin Galactic in den Startlöchern.

Letzteres verbucht die Munich Re aber nicht im Raumfahrtgeschäft sondern als Luftfahrtpolicen. Die für 250 000 Dollar angebotenen Parabelflüge erreichen nur die Grenze des Weltalls. Die ISS-Versorgungsflüge wiederum seien auf fünf bis sechs pro Jahr begrenzt, so dass sich daraus „ein nettes Zusatzgeschäft, aber kein großer Schub“ ergibt, schätzt Riedl.

Tragende Säule des Geschäfts bleiben vorerst Satelliten. 25 Milliarden Dollar beträgt die Versicherungssumme aller policierten Himmelskörper im Erdorbit, hat Riedl ausgerechnet. Auf einen Schlag zerstört werden könnten sie durch einen starken Sonnensturm. Das sei aber sehr unwahrscheinlich, sagt er so entspannt, wie er sich „Gravity“ ansehen will.