Privatisierung der Autobahnen Privatisierung der Autobahnen: Hitzige Diskussion bei Treffen der Ministerpräsidenten

Politische Grundsatzentscheidungen sollen eigentlich für viele Jahre gelten. Manchmal haben sie allerdings nur für wenige Tage oder Wochen Bestand. Man kann das gerade wieder am Streit über die künftige Bundesfernstraßengesellschaft beobachten, die ab 2021 das deutsche Autobahnnetz mitsamt den wichtigsten Bundesstraßen managen soll.
Privatisierungspläne sorgen für hitzige Diskussion
Das Thema stand am Donnerstag auf der Tagesordnung des Treffens von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder – und bot reichlich Stoff für hitzige Diskussionen. Im Oktober hatten sich Bund und Länder im Rahmen des Kompromisses zur Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen darauf verständigt, dass der Bund künftig mehr Kompetenzen bekommen soll, unter anderem in der Straßenverwaltung.
Ende November schließlich kassierte die Union auf Druck von SPD-Chef Sigmar Gabriel ihre Pläne für eine Teilprivatisierung der der neue Autobahngesellschaft. Im Grundgesetz soll jetzt klargestellt werden, dass die Firma ausschließlich und dauerhaft dem Bund gehört – genau wie die Autobahnen und Bundesstraßen selbst.
Doch so klar, wie die Dinge zunächst schienen, sind sie offenbar gar nicht. Länder und Gewerkschaften argwöhnen, dass der Bund nun eine Privatisierung durch die Hintertür betreibe. So solle nach den Plänen der Regierung die neue Fernstraßengesellschaft zwar komplett dem Bund gehören. Aber die könne ja Tochterfirmen gründen dort private Investoren mit an Bord holen. Oder sie könne wichtige Aufgaben gleich an Unternehmen aus der freien Wirtschaft übertragen.
Mit Steuern bezahlte Autobahnen sollten Firmen keine Rendite bringen
„Wir dürfen nicht zulassen, dass private Firmen Rendite machen sollen mit dem Betrieb von Autobahnen, die von den Steuerzahlern finanziert worden sind“, warnte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) unmittelbar vor dem Treffen mit der Kanzlerin am Donnerstag. So wie Ramelow sehen das auch diverse andere Landesregierungen, unter anderem das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg.
Die Gewerkschaften machen ebenfalls Druck: So fordert der DGB-Vorstand in einem aktuellen Beschluss, dass sich die neue Bundesfernstraßengesellschaft „wie auch die zu gründenden Regionalgesellschaften“ zu 100 Prozent in Bundesbesitz befinden müsse. Jegliche Infrastruktur müsse staatlich bleiben. „Das gilt gleichermaßen für die Nutzungsrechte der Infrastruktur und die öffentliche Aufgabe der Planung, des Baus, der Unterhaltung und des Betriebs“, heißt es. Und außerdem: „Es muss auch für Neubauprojekte gelten.“
Der Bund will bei dem Thema Tempo machen, schon am Freitag soll das Bundeskabinett die einschlägigen Gesetze auf den Weg bringen. Geplant ist auch, die Gesetze noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 vom Parlament verabschieden zu lassen. Länder und Gewerkschaften bemängeln, dass es gar nicht genügend Zeit gibt, um über wichtige Fragen öffentlich zu diskutieren. Für Änderungen am Grundgesetz sind Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestat und Bundesrat erforderlich.
Reform der Straßenverwaltung wird kommen
Bei all dem geht es um sehr viel: Das Autobahnnetz in Deutschland ist fast 13.000 Kilometer lang. Zusätzlich dazu soll die neue Fernstraßengesellschaft auch rund 1.300 Kilometer Bundesstraßen verwalten und in Schuss halten. Dabei handelt es sich um meist vierspurige, autobahnähnlich ausgebaute Strecken. Mit der Gründung der Gesellschaft, die die Rechtsform einer GmbH haben soll, wird auch eine grundlegende Reform der Straßenverwaltung in Deutschland einhergehen.
Zahlreiche Mitarbeiter werden aus Landesbehörden in die neue Bundesfirma wechseln – zu welchen Bedingungen, weiß heute noch niemand. Insgesamt arbeiten in der Fernstraßenverwaltung in Deutschland rund 30.000 Menschen. Bisher ist die Zuständigkeit zersplittert: Der Bund setzt Prioritäten und gibt Geld, die Länder lassen planen und bauen. Hier gibt es häufig Reibungsverluste, die die neue Gesellschaft auflösen soll.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich in der Vergangenheit stets auch für eine Teilprivatisierung stark gemacht, weil er zusätzliches Geld für den Erhalt und Ausbau von Infrastruktur mobilisieren und gleichzeitig die schwarze Null im Bundeshaushalt halten möchte. Das kommt den Interessen von Banken und Versicherern entgegen: Die gieren angesichts der Niedrigzinsen an den Kapitalmärkten förmlich danach, Geld in Unternehmen zu investieren, bei denen langfristig mit stabilen Renditen zu rechnen ist. Die Privatisierung-Kritiker wollen nicht glauben, dass sich Schäuble und die Union wirklich schon von diesen Plänen verabschiedet haben.