Oppenheim Prozess in Köln Oppenheim Prozess in Köln: Keine Deals im Hinterzimmer
Köln - Der Paukenschlag kommt für das Gericht und die Verteidiger völlig unvorbereitet. Er wolle nur eine kurze Erklärung abgeben, bevor der erste Zeuge vernommen werde, sagt Oberstaatsanwalt Gunnar Greier. Drei Minuten später hat ein ganz normaler Verhandlungstag im Mammut-Strafprozess um den Niedergang der Privatbank Sal. Oppenheim eine Wendung genommen, die den Rest des Verfahrens, dessen Ende derzeit niemand seriös vorhersagen kann, beeinflussen wird.
Doch warum wagt sich die Staatsanwaltschaft aus der Deckung, beschreitet einen äußerst ungewöhnlichen Weg und gibt eine Einschätzung über das mögliche Strafmaß ab, das die vier ehemaligen Oppenheim-Banker und der Troisdorfer Immobilienunternehmer Josef Esch „nach derzeitigem Verfahrensstand“, wie Oberstaatsanwalt Gunnar Greier nicht müde wird zu betonen, zu erwarten haben? Es gebe weder „eine Kumpanei mit der Strafkammer“ noch handele es sich um den „Versuch einer Vorverurteilung“, sagt Greiers Kollege Torsten Elschenbroich. „Ich kann zwar verstehen, dass Sie sich überrumpelt fühlen“, sagt er an die Adresse der Anwälte gerichtet. „Aber es ist auch für uns riskant, uns mit einer solchen Erklärung aus der Ecke zu wagen.“
Bisher gelten in dem Strafprozess, der nach einem Fehlstart im Februar im Frühsommer 2013 begann, gerade mal zwei von fünf Beweisaufnahmen als abgeschlossen. In aller Ausführlichkeit hat das Gericht die Hintergründe des Immobiliengeschäfts zwischen einem Oppenheim-Esch-Fonds und dem Bankhaus an der Bockenheimer Landstraße in Frankfurt behandelt, bei dem die Angeklagten, so der Vorwurf, einen Schaden von 76 Millionen Euro verursacht haben sollen. Auch über die Hintergründe der letztlich missglückten Rettungsaktion des Warenhauskonzerns Arcandor, in das Sal. Oppenheim auf dem Höhepunkt der Finanzkrise insgesamt 175 Millionen Euro pumpte, ist ausführlich Beweis erhoben worden.
Für die Staatsanwaltschaft stelle sich die Frage „nach der weiteren Vorgehensweise“, sagt Gunnar Greier. „Es müssen nicht alle weiteren Sachverhalte zwingend verhandelt werden.“ Offenbar, das wurde am Mittwoch deutlich, muss es darüber in der Vergangenheit mehrfach informelle Gespräche zwischen den Staatsanwälten und den Verteidigern gegeben haben. „Solche Gespräche wollen wir nicht mehr in der Hinterkammer führen, sondern offen in der Hauptverhandlung“, ergänzt Torsten Elschenbroich. „Wir haben unsere Bewertung des Strafmaßes auch aus Fürsorgepflicht abgegeben. Sollte es einem Ihrer Mandanten noch in den Sinn kommen, etwas zur Aufklärung beizutragen, wird es langsam eng.“
Die Strafmaß-Androhung trifft vor allem Christopher von Oppenheim besonders hart. Drei bis dreieinhalb Haft empfinden seine Anwälte angesichts der Kooperationsbereitschaft, die ihr Mandant am ersten Tag des Verfahren signalisiert und danach mehrfach unter Beweis gestellt habe, als völlig überzogen. „Das ist mir nicht erklärlich“, sagt Oppenheims Verteidiger Klaus Volk. „Es gab schon vor langer Zeit abtastende Gespräche mit der Staatsanwaltschaft und da war durchaus von Strafen im bewährungsfähigen Bereich die Rede.“ Und in der Tat: Im Gegensatz zu Matthias Graf von Krockow und Josef Esch, deren Anwälte sich bisher eher auf die Schweige-Taktik verlassen haben, ist Christopher von Oppenheim der einzige aus dem engeren Kreis der Bankfamilie, der sich deutlich zu den ihn betreffenden Anklagepunkten geäußert und dem Gericht Einblicke in die Machtkämpfe verschafft hat, die nach dem Tode von Alfred von Oppenheim im Januar 2005 ausgebrochen waren. Die Staatsanwaltschaft nehme schon jetzt Positionierungen vor, „weil sie Angst hat, dass das Verfahren anders ausgeht“, sagt Oppenheims zweiter Verteidiger Norbert Scharf. „Wir jedenfalls haben bisher versucht, Aufklärungshilfe nach bestem Wissen und Gewissen zu leisten. Solch ein Prozess könnte auch ganz anders verlaufen.“
Doch die Schweiger schweigen nach dieser, so Klaus Volk, „Fanfare in der Hauptverhandlung“ weiter. Josef Esch wirkt recht entspannt, was vor allem daran liegt, dass ihn die meisten Anklagepunkte gar nicht betreffen und sich das mögliche Strafmaß schon deshalb in Grenzen hält. Matthias Graf von Krockow hat derweil ein anderes Problem. Sein Verteidiger Daniel M. Krause ist nicht anwesend – und die zweite Reihe fühlt sich offenbar nicht autorisiert, etwas zu dem Paukenschlag zu sagen. Bis zu viereinhalb Jahre Haft könnten dem ehemaligen Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter aus Sicht der Staatsanwaltschaft drohen. Bleiben noch die beiden Ex-Banker Friedrich Carl Janssen und Dieter Pfundt, die sich im Vergleich zum inneren Zirkel der Bankfamilie immer in der Außenseiterrolle gesehen haben. Janssen, der vor allem bei der missglückten Arcandor-Rettungsaktion eine tragende Rolle spielte und das auch gar nicht bestreitet, ist angesichts der Vorgehens der Staatsanwaltschaft außer sich. „Für die Öffentlichkeit hat die Staatsanwaltschaft ein Urteil gesprochen. Etwas Vergleichbares in diesem Stil habe ich noch nicht erlebt“, sagt Franz Salditt, der Verteidiger von Friedrich Carl Janssen. Er spricht von einem „massiven Bruch der Unschuldsvermutung“ und stellt klar, „dass wir für unseren Mandanten einen Freispruch anstreben“. An einer Abkürzung des Verfahrens habe man kein Interesse. Im Gegenteil: „Wir bitten die Kammer, das Verfahren in der Gründlichkeit zu Ende zu führen, wie es begonnen hat.“ Man werde sich an weiteren Rechtsgesprächen zwar beteiligen, aber keineswegs über ein mögliches Strafmaß verhandeln. Ein solches Gespräch soll nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am 6. November stattfinden.
Von einem „Einschüchterungsversuch“ spricht Felix Dörr, Verteidiger des Ex-Bankmanagers Dieter Pfundt „Auf den letzten hundert Metern das Verfahren abkürzen und Pflöcke einzuschlagen“, sei nicht in Ordnung. „Wir haben uns in den letzten 18 Monaten bemüht, seriös mit Ihnen umzugehen“, so Dörr zu den Oberstaatsanwälten. „Und jetzt wird versucht, unter dem Tisch zu treten und Positionen aufzubauen, die sich nach außen wunderbar vertreten lassen.“
Zeit zum Durchatmen. Der Strafprozess wird erst am 6. November fortgesetzt. Der für den heutigen Donnerstag anberaumte Termin wurde abgesagt.