Online-Dating-Portal Lovoo Online-Dating-Portal Lovoo: Wurden männliche Mitglieder mit Fake-Accounts gelockt?

Dresden/halle (Saale) - Der Online-Dating-Anbieter Lovoo ist eine der Vorzeige-Internetfirmen in Deutschland. Das Unternehmen aus Dresden wächst rasant. Knapp 150 Mitarbeiter beschäftigt das Kennenlern-Portal. 36 Millionen Nutzer sind nach eigenen Angaben auf der 2011 von sieben Freunden entworfenen Handy-App bereits registriert. Täglich sollen tausende neue hinzukommen. In 17 Ländern ist Lovoo schon verfügbar. Jetzt soll sogar der Sprung auf den US-amerikanischen Markt gewagt werden.
Doch gerade in dieser Phase kommen Zweifel an der Erfolgsgeschichte auf. Mitte September berichtete die Computerzeitschrift C’t erstmals über gefälschte Profile bei Lovoo. In der heute erscheinenden Ausgabe des Magazins werden diese Vorwürfe nun erhärtet. Aus Mails, die C’t zugespielt wurden und mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Führungsriege der Firma stammen, soll hervorgehen, dass Lovoo-Mitarbeiter seit 2013 Profile weiblicher Personen in großem Umfang selber erstellt haben. Diese „Fake-Profile“ seien so programmiert, dass sie andere Nutzer dazu verleiteten, Zusatzangebote zu kaufen. Lovoo bestreitet alle Vorwürfe von C’t und verweist auf eine schriftliche Stellungnahme.
An sich ist die Benutzung der Plattform kostenlos. Hat man das Programm auf dem Mobiltelefon installiert, erscheint der sogenannte Live-Radar. Auf ihm sieht man, welche Nutzer sich gerade in der Nähe befinden. Klickt man eine Person an, erscheint ein Bild von ihr. Hinzu kommen noch zahlreiche weitere Informationen wie Name, Geschlecht oder Vorlieben. Es ist möglich, mit jedem Mitglieder der Lovoo-Gemeinschaft in Kontakt zu treten, wobei ein Gespräch nur begonnen wird, wenn beide Seiten das wollen.
Nur 15 Prozent bezahlen
Laut C’t wurden die falschen Frauen so eingestellt, dass sie automatisiert andere Lovoo-Mitglieder besucht und positiv bewertet haben. In den zugespielten Mails wird zudem von einem „Chatbanana“ genannten Projekt gesprochen, das für den englischsprachigen Markt entwickelt wurde. In ihm ging es darum, erfundene Profile so zu programmieren, dass sie kurze Konversationen mit anderen Nutzern starten konnten - die Fragen und Antworten der Roboter-Frauen waren dabei komplett computergeneriert.
Durch die „Fake-Profile“ soll Lovoo zeitweise bis zu 5 000 Euro täglich eingenommen haben. Die Zielpersonen waren männliche Lovoo-Mitglieder. Sie wurden dazu bewegt, kostenpflichtige Zusatzangebote und VIP-Mitgliedschaften zu kaufen. Durch sie kann man zum Beispiel dafür sorgen, dass die eigenen Nachrichten bei anderen Nutzern an oberster Stelle angezeigt werden. Auch der Einkauf einer höheren Sichtbarkeit ist möglich. Auf dem Live-Radar erscheint das eigenen Profil dann nicht mehr nur als Punkt, sondern mit einem großen Bild. 50 Cent kostet dies für 24 Stunden.
Die Mehrheit der Mitglieder nutzt solche Angebote allerdings nicht, so Björn Bak. „Nur 15 Prozent bezahlen bei uns“, sagte der Lovoo-Geschäftsführer gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung bei einem Besuch der Firma im vergangenen Jahr. Dabei handele es sich fast ausschließlich um männliche Nutzer, so Bak damals. Mit diesen 15 Prozent erwirtschaftete die Internet-Firma in den vergangenen Jahren einen Millionen-Umsatz. Dass dabei erfundene Profile geholfen haben könnten, wäre für die Kennenlern-Branche nicht unüblich.
Löschaktion nach Veröffentlichung
„Die Praxis der Fake-Profile ist schon seit Jahren gängig“, meint Chris Pleines. Er ist Gründer des Testportals Zu-zweit.de. Auch ihm seien bei Lovoo vermehrt Profile aufgefallen, die „verdächtig gefälscht“ aussahen. „Aber auch andere Apps tun das, um die Mitgliederzahlen zu schönen und Kunden in die Premium-Mitgliedschaft zu locken“, sagt Pleines. Kürzlich war aufgeflogen, dass das US-Seitensprung-Portal Ashley Madison weibliche Fake-Profile einsetzt.
Nach der ersten Veröffentlichung im Computermagazin C’t wehrte sich Lovoo umgehend mit einer schriftlichen Stellungnahme gegen den „unschönen Artikel“. Dort bezeichnete das Unternehmen die Vorwürfe als „haltlos“ und den Ursprung der Unterlagen als „dubios“. Zwar gebe es Probleme mit erfundenen Nutzern. Jedoch: „Lovoo hat eine eigene Anti-Spam-Abteilung, die jeden Tag daran arbeitet, dass Fake-Profile erkannt und gelöscht werden.“ Diese Spam-Abteilung hätten die Autoren von C’t besuchen können, um sich „von unseren Anstrengungen gegen Spam und Fakes zu überzeugen“. Das sei aber abgelehnt worden.
C’t bestreitet, dass es dieses Angebot gab. Auch habe Lovoo sich bis heute nicht zur Echtheit der Mails geäußert. Vielmehr startete das Unternehmen aus Dresden laut Computermagazin nach der Konfrontation mit den Vorwürfen eine größere Löschaktion. „Die meisten der Profile, die unsere Testpersonen gewählt hatten, tauchten plötzlich nur noch als ’Gelöschter Nutzer’ auf“, schreibt C't. Anschließend verschwanden sie sogar komplett. Auch zu diesen Vorgängen habe sich Lovoo laut C’t bis jetzt noch nicht geäußert. (mz)