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OECD gibt Entwarnung OECD gibt Entwarnung: Keine Angst vor der digitalen Arbeitswelt

Von Markus Sievers 18.05.2016, 15:12
Zwei als Roboter verkleidete Darsteller bei der Hannover Messe beim Leaders Dialogue "Industrie 4.0 in Made in Germany".
Zwei als Roboter verkleidete Darsteller bei der Hannover Messe beim Leaders Dialogue "Industrie 4.0 in Made in Germany". dpa

Telefonverkäufer sollten sich besser auf die Suche nach einem anderen Beruf machen. Bankkaufleute haben schlechte Aussichten, in ihrem Job alt zu werden. Für Buchhalter und Bäcker bietet die Arbeitswelt der Zukunft düstere Perspektiven. Mit Prognosen über  massenweise Jobverluste durch die Digitalisierung schreckten die beiden Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne von der Oxford University auf.

Die Industrieländerorganisation OECD gibt nun in einer gemeinsam mit dem Zentrum für Europäischen Wirtschaftsforschung (ZEW) erstellten Studie Entwarnung. Demnach wird die Automatisierungswelle die gesamte Arbeitswelt umwälzen und jeden einzelnen Arbeitsplatz erfassen. Doch Sorgen, dass ihnen Roboter und Algorithmen ihre berufliche Existenz wegreißen, muss sich nur eine Minderheit machen.

Zwölf Prozent der Arbeitsplätze in Gefahr

Zwölf Prozent der Arbeitsplätze sind laut OECD bundesweit in Gefahr. Das betrifft einerseits fünf Millionen Menschen. Doch die beiden Oxford-Forscher hatten deutlich düstere Visionen präsentiert. Sie sehen fast die Hälfte aller Jobs in den USA in den nächsten zehn bis 20 Jahren durch Roboter bedroht, genau gesagt 47 Prozent. Dabei nahmen sie einzelne Berufe vom Arzt über den Journalisten bis zum Zahntechniker in den Blick.

Diese Betrachtung sei jedoch zu pauschal, meint ZEW-Wissenschaftler Ulrich Zierahn. „Es kommt auf die einzelne Tätigkeit an.“ Und da zeigt sich:  Je höher die Ausbildung und Qualifizierung, je kreativer und eigenständiger die Beschäftigten arbeiten, umso besser stehen ihre Chancen, dass sie auch 2020 oder 2030 noch gebraucht werden. Nicht jeder Krankführer muss die Konkurrenz durch schlaue Maschinen fürchten. Wer Routinetätigkeiten übernimmt, ist leichter zu ersetzen als der Kollege mit den anspruchsvollen und besonderen Aufgaben. Die Kassiererin an der Kasse lebt mit einem höheren Risiko als die Modeverkäuferin, die ihre Kunden individuell berät.

Nicht alles, was möglich ist, wird auch genutzt

Zudem beschreiben die Horrorszenarien das technische Potenzial. Nicht alles, was möglich ist, werde aber in vollem Umfang genutzt, meint Zierahn. Schon heute sind die Ingenieure in der Lage, selbst fahrende Autos und Busse durchs Land fahren zu lassen. Doch bevor sie es dürfen, sind viele rechtliche und andere Hindernisse zu überwinden.

Nicht immer rechnet sich der Einsatz der schlauen und lernenden Maschinen für die Unternehmen – solange es billiger ist, werden sie aus betriebswirtschaftlichen Gründen Menschen vorziehen.

Und dann stellen sich grundsätzliche Fragen: Wollen sich Kranke und Alte künftig von Maschinen pflegen lassen? Oder ziehen sie nicht die Betreuung durch Krankenschwestern und Pfleger vor? Passt ein softwaregesteuerter Kellner zum Essen bei Kerzenschein im Restaurant oder wollen sich die Menschen nicht lieber von Ihresgleichen bedienen lassen?

Experten gehen von Beschäftigungsgewinn aus

Das Plädoyer der OECD und des ZEW für mehr  Zuversicht deckt sich mit Empfehlungen anderer Experten. Manche meinen gar, Deutschland könne dank seiner starken Industrie Beschäftigung gewinnen, wenn es den digitalen Wandel meistere. Die Industrie 4.0 werde den Strukturwandel hin zu mehr Dienstleistungen beschleunigen, sagt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit voraus. „Mit den Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt geht eine zunehmende Wertschöpfung einher, die nicht nur zu mehr volkswirtschaftlichen Gewinnen, sondern – aufgrund höherer Anforderungen an die Arbeitskräfte – auch zu höheren Lohnsummen führt.“

Die Arbeit geht also nicht aus, sondern sie wird möglicherweise sogar besser bezahlt dabei als heute. Das Problem dabei: So glänzende Perspektiven bieten sich den Arbeitnehmern am oberen Ende der Skala, die schon heute als gefragte Fachkräfte die höchsten Einkommen erzielen. Bei sehr einfachen Jobs besteht die Chance, dass sie bleiben, weil sich der Einsatz der digitalen Technologien nicht lohnt.

Am stärksten bedroht sind die Beschäftigten der unteren Mittelschicht, die trotz einer Ausbildung vor allem Routineaufgaben erledigen. Sie brauchen die Hilfe der Politik,  meint Monika Queisser von der OECD. So müsse Deutschland mehr für Bildung und Fortbildung tun und dafür sorgen, dass auch niedrig bezahlte Arbeit vor Armut schütze.