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Niedriges Wachstum Niedriges Wachstum: Sachsen-Anhalt hinkt beim BIP der Entwicklung in Deutschland weiter hinterher

Von Steffen Höhne 30.03.2017, 21:15
An einer Schallschutzwand prangt der Schriftzug „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost“.
An einer Schallschutzwand prangt der Schriftzug „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost“. dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - Vorletzter Platz. Wieder einmal hinkt Sachsen-Anhalt in der  wirtschaftlichen Entwicklung den anderen Bundesländern hinterher.  Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), das ist der Wert aller hergestellten Waren und Dienstleistungen, erhöhte sich 2016  um ein Prozent -  nur das Saarland hat mit null Prozent schlechter abgeschnitten. Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) sprach daher am Donnerstag auch davon, dass es „noch Luft nach oben“ gebe. „Wir wollen die positive Entwicklung verstetigen und den Abstand zum Bundesdurchschnitt alsbald und dauerhaft senken“, so der Minister weiter.

„Vor allem die Industrie, die lange Zeit das wirtschaftliche Zugpferd  gewesen ist,  schwächelt“,   sagt Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut in Dresden.  Sie legte nur um 0,8 Prozent zu. Vor allem im Maschinenbau, bei Autozulieferern und in der Chemie läuft es offenbar nicht so rund. „Das könnte auch mit einem Mangel an Fachkräften zusammenhängen“, vermutet Ragnitz.   

 Um neue Investitionen in Sachsen-Anhalt anzustoßen, ließ Willingmann  daher vor Kurzem auch die Richtlinien für staatliche Subventionen ändern. Unter anderem wurde die Basisförderung für Mittelständler erhöht.
 Gedämpft wird das Wachstum in Sachsen-Anhalt laut Ragnitz auch durch den Rückgang der Bevölkerung (ohne Flüchtlinge). „Weniger Menschen bedeutet am Ende auch  weniger Konsum und wirtschaftliche Aktivität.“  So sei es überraschend, dass von der Bauwirtschaft  kaum Impulse für das Wachstum ausgehen. Ausgelöst durch die Niedrigzinsen gibt es fast überall in Deutschland einen Bauboom. In Sachsen-Anhalt trifft das in größerem Maße offenbar nur auf die Großstädte zu.

Ob die am Donnerstag von den deutschen Statistik-Ämtern veröffentlichten Zahlen jedoch die  genaue Lage wiedergeben, muss inzwischen infrage gestellt werden. Willingmann formuliert  diplomatisch, dass die  „Korrekturen der Berechnungen für die Jahre 2013-2015  bemerkenswert sind.“ Man dürfe daher nicht nur auf die  Zahlen schauen. Für Wirtschaftsforscher Ragnitz ist die Statistik „unsicher“.

Im März 2016 wiesen die Statistiker für Sachsen-Anhalt ein Mini-Wachstum von nur 0,1 Prozent im Jahr 2015 aus. Nun wurde dieses auf satte 1,6 Prozent korrigiert. Der Sprung von 1,5 Prozentpunkten ist riesig. Konjunkturforscher werden schon gescholten, wenn sie sich in Prognosen um ein Prozent verschätzen. Was ist also passiert? Laut Ragnitz wurde die Industrieproduktion für Niedersachsen im Nachhinein um zehn Prozent nach unten korrigiert. Das hatte zur Folge, dass die Werte in den anderen Bundesländern nach oben verschoben wurden,  da das deutsche  BIP insgesamt als feste Größe angenommen wird. Deswegen wurde kein Brot in Sachsen-Anhalt mehr verkauft und keine Maschine mehr hergestellt. Es ist ein rein statistischer Effekt. Das könnte sich auch für das Jahr 2016 wiederholen.

Damit einzelne statistische Ausreißer weniger Bedeutung haben, hilft ein längerer Blick zurück. Im Vergleich zum Jahr 2000 legte die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt bis 2015 um  sieben bis 8,5 Prozent zu. Bundesweit waren es jedoch 18,1 Prozent. Der Schluss liegt also nahe, dass das Land insgesamt ein Wachstumsproblem hat. 

Auffällig ist, dass sich Berlin und Sachsen seit zwei Jahren  besser wirtschaftlich entwickeln als die anderen ostdeutschen Länder.   Die Zunahme in Berlin 2016 geht vor allem auf die starke Bautätigkeit (plus 6,9 Prozent) sowie auf den Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe und Kommunikation (plus 3,7 Prozent) zurück. Vor allem die Internet-Branche floriert und zieht viele junge Menschen aus ganz Europa an. Die Hauptstadt profitiert  von der steigenden Einwohnerzahl  und der weiteren Zunahme beim Tourismus.

In Sachsen verhält es sich nach Einschätzung von Ragnitz ähnlich: Die drei großen Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz verbuchen von Jahr zu Jahr mehr Einwohner und weisen eine starke Bautätigkeit auf.  Großstädte wie Berlin und Leipzig waren schon immer Magneten für junge Menschen. Offensichtlich verstärkt sich dieser Trend aber. (mz)