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Nicht jeder Betriebsunfall wird anerkannt

Von Tanja Vedder 23.10.2008, 07:24

Berlin/Köln/dpa. - Berufstätige leben gefährlich: Arbeitsunfälle ereignen sich in Deutschland minütlich, so die Statistik. Und nicht immer wird ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt.

Es kommt darauf an, ob die Situation dem Privat- oder dem Berufsleben zuzuordnen ist. Diese Entscheidung hängt an zahlreichen, für Laien zum Teil unerwarteten Details. Häufig endet der Streit vor Gericht.

Aber nicht immer können die Betroffenen überhaupt auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung hoffen. So ist etwa der Gang auf die Toilette über den Arbeitgeber versichert - nicht aber, was sich hinter der Klo-Tür abspielt, erklärt Eberhard Ziegler von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Berlin. Selbst auf dem stillen Örtchen sind schon Unfälle geschehen. Und die Privatsphäre ist nur über die Krankenkasse versichert.

Wird die Anerkennung als Arbeitsunfall verweigert, sollte der Betroffene in jedem Fall dagegen klagen, empfiehlt der Jurist Norbert Bauschert aus Köln. Seine langjährige Erfahrung als Fachanwalt für Sozial- und Familienrecht hat ihm gezeigt, dass ausgerechnet die Berufsgenossenschaften als Träger der Unfallversicherung die «härtesten Gegner vor Gericht» seien. Viele Prozesse gingen zuungunsten der Kläger aus.

«Am Ende zählen die Details, ob ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird oder nicht», sagt Ziegler. Das Landessozialgericht Bayern zum Beispiel wies die Klage einer Frau auf eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab, deren Kollegin ihr versehentlich auf der Betriebstoilette eine Tür ins Gesicht geschlagen hatte (Az.: L 3 U 323/01).

Die Unterscheidung von Beruf und Privatsphäre regelt auch die Sachlage bei der Mittagspause: Der Gang zur Kantine etwa ist generell über den Arbeitgeber versichert, die Nahrungsaufnahme selbst als private Sache aber nicht.

Ziegler kennt allerdings einen Fall, bei dem die Richter auf Arbeitsunfall in der Betriebskantine entschieden: Der Angestellte hatte sich beim Essen mit dem Chef über ein bevorstehendes Kundentreffen unterhalten und sich dabei an einem Schaschlikspieß verschluckt - woraufhin er starb. Die Richter sprachen den Hinterbliebenen auch eine Rente zu, und zwar mit dem Argument: «Der Mann sei durch die berufliche Unterhaltung abgelenkt gewesen, in privatem Rahmen hätte er mehr auf sein Essen geachtet», erläutert Ziegler.

Nur scheinbar eindeutig ist die Lage bei einem Überfall auf dem Betriebsgelände: «Wird bei uns jemand bei einem Raubüberfall im Betrieb oder auf dem Arbeitsweg dorthin verletzt, erkennen wir das als Arbeitsunfall an», sagt Kurt Kropp von der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution in Bonn. Aber auch hier dürfen keine privaten Gründe für den Überfall im Spiel sein. Und weil der gesetzliche Versicherungsschutz häufig und unerwartet Grenzen hat, empfiehlt Anwalt Bauschert, zur Sicherheit noch eine private Unfallversicherung abzuschließen.

Die Teilnahme an einer Betriebsfeier ist grundsätzlich versichert. «Doch was, wenn am Ende nur noch ein paar Mitarbeiter in trauter Runde zusammensitzen?», gibt Eberhard Ziegler von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zu bedenken. So entschied das Hessische Landessozialgericht jüngst über den Fall eines Angestellten, der zu später Stunde bei einer betrieblichen Feier schwer alkoholisiert die Treppe heruntergestürzt war (Az.: L 3 U 71/06) - und zwar gegen den Mann.