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Neuer IWH-Chef Reint Gropp Neuer IWH-Chef Reint Gropp: Der Bankenkenner

Von Steffen Höhne 04.12.2014, 10:18
Reint Gropp führt seit November das IWH.
Reint Gropp führt seit November das IWH. iwh Lizenz

Halle (Saale) - Führungskräfte genießen bei ihrem Amtsantritt in der Regel eine 100-Tage-Frist. Der Zeitraum wird ihnen gegeben, um sich einzuarbeiten und erste Erfolge vorzuweisen. Reint Gropp hatte keine drei Wochen. Am 3. November trat der Volkswirt seinen neuen Posten als Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) an, in der vergangenen Woche ließ die Leibniz-Gemeinschaft planmäßig die Forschungsleistung des Instituts überprüfen. Als neuem Chef oblag ihm die Gesamtpräsentation. Diese durfte nicht schiefgehen, denn vom Urteil der Gutachter hängt am Ende die Existenz des staatlich geförderten IWH ab - die nach der letzten Prüfung bereits auf der Kippe stand.

Vater als Manager in Buna tätig

Die Arbeit des Instituts in den vergangenen Jahren konnte Gropp freilich nur referieren, ohne darauf Einfluss gehabt zu haben. Selbst zur Feder griff der Ökonom allerdings in den Ausführungen, wie die Zukunft aussehen soll. Dazu legte er zuvor einige Nachtschichten ein. Offenbar hat es sich gelohnt: „Die Evaluation ist sehr gut gelaufen“, sagt Gropp. Er geht fest davon aus, dass das IWH seinen Platz als eines der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland verteidigen kann.

Der 48-Jährige, der in Hannover und Düsseldorf aufwuchs, stammt aus einer Ökonomen-Familie. Beider Eltern sind Volkswirte, wirtschaftspolitische Diskussionen fanden nach seinen Worten am „Frühstückstisch“ statt. Die Region Halle ist ihm nicht unbekannt. Sein Vater kam nach der Einheit zum Chemie-Kombinat Buna, in dem er als Marketing-Vorstand arbeitete. Zwar gelang es nicht, Buna als eigenständiges Unternehmen zu erhalten. Doch nach der Übernahme durch den US-Konzern Dow 1995 blühte der Standort wieder auf.

Reint Gropp studierte in Freiburg und Wisconsin (USA) Volkswirtschaft, arbeitete in verschiedenen Positionen beim Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank, zuletzt hatte er eine Professur für Bankwesen an der Uni Frankfurt (Main) inne. Gropp ist ein Mann der Theorie und der Praxis.

Finanzmärkte im Fokus

Doch was zog den Finanzexperten an die Saale? Gropp lächelt, die Frage hat er schon öfters gehört: Wichtige Finanzfragen würden sicherlich am Bankenstandort Frankfurt und in der Hauptstadt Berlin entschieden. Halle liege dazwischen. „Um Forschung frei von Lobbyinteressen zu betreiben, muss das kein Nachteil sein“, sagt Gropp. Der neue IWH-Chef hat vor, die Arbeit zu Finanzmärkten fest in Halle zu verankern. Dies würde ein Alleinstellungsmerkmal sein, denn kein anderes Institut bearbeite das Thema systematisch.

Ein leichtes Erbe hat er nicht übernommen. Das IWH mit rund 70 Mitarbeitern ist das einzige große Wirtschaftsforschungsinstitut im Osten. Es wurde nach der Wende gegründet und erwarb sich mit der Forschung zum Wandel der ostdeutschen Wirtschaft Renommee. Mit Ex-Präsident Ulrich Blum stand von 2004 bis 2011 ein Wissenschaftler an der Spitze, der mit seinen Analysen zur Stagnation der ostdeutschen Wirtschaft politisch auch unbequem war. Die Gutachter der Leibniz-Gemeinschaft bemängelten in seiner Ära die Schwäche bei wissenschaftlichen Publikationen und die ungenügende Transformationsforschung zu Osteuropa, die Schwerpunkt sein sollte. Blums Nachfolgerin Claudia Buch richtete das Institut daher seit Mitte 2013 personell und strukturell neu aus. Sie gründete etwa die Abteilung Finanzmärkte. Im Mai 2014 folgte Buch einem Ruf in den Vorstand der Bundesbank.

Wachstum als Leitthema

Gropp hat somit ein Institut im Umbruch übernommen. Nach seinen Worten wird in den kommenden Jahren die Untersuchung von Wachstumsprozessen das zentrale Thema sein. „Wir stellen in Ostdeutschland aber auch in anderen osteuropäischen Staaten fest, dass der Aufholprozess erlahmt ist“, so der Ökonom. „Wir werden versuchen, die dafür verantwortlichen Faktoren zu benennen und der Politik Ratschläge für Verbesserungen zu geben.“ Nach seiner Ansicht sind die deutsche Wirtschaftspolitik und das Finanzwesen zu sehr darauf ausgerichtet, existierende Pfründe zu verteidigen.

Wenn Gropp über diese Vorhaben spricht, sprudeln die Wörter nur so aus ihm heraus. Er will, dass die Arbeiten des IWH wissenschaftliche und mediale Aufmerksamkeit erregen. Zuletzt schaffte es nur IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller in das Ranking der 100 einflussreichsten Ökonomen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Das muss sich ändern.“ Die Aufforderung richtet Gropp wohl auch an sich selbst. Bisher ist er einer breiteren Öffentlichkeit unbekannt. Mit dem Image des „Underdogs“ passt er vielleicht ganz gut zum oft unterschätzten Halle. (mz)