Neue Regeln für Privatinsolvenz Neue Regeln für Privatinsolvenz: Die Hürden für den Neustart sind hoch

Berlin - Mehr als 91.000 Privatpersonen haben 2013 Insolvenz angemeldet. Bisher vergehen sechs Jahre, bis die Schuldner eine zweite Chance erhalten und wirtschaftlich von neuem beginnen können. Vom 1. Juli an soll es unter bestimmten Voraussetzungen schon eher möglich sein, schuldenfrei in ein neues Leben zu starten. Nach Ansicht von Verbraucherschützern liegen die Hürden allerdings zu hoch, als dass eine große Zahl überschuldeter Menschen davon profitieren könnte. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Wie kommt es zu einer Verbraucherinsolvenz?
Menschen, denen ihre Schulden über den Kopf gewachsen sind, können seit 1999 einen Antrag auf Privatinsolvenz stellen. Zuvor muss aber der Versuch unternommen werden, außergerichtlich eine Einigung mit den Gläubigern herbeizuführen. Im ersten Schritt werden alle Gläubiger gebeten, ihre Forderungen anzumelden. Anschließend wird – möglichst mit Hilfe einer Schuldnerberatung – ein Schuldenbereinigungsplan erstellt, auf dessen Grundlage sich Schuldner und Gläubiger dann außergerichtlich auf Tilgung und Teilverzicht einigen können.
Was ist ein Insolvenzverfahren?
Gelingt eine außergerichtliche Einigung nicht, so beantragt der Schuldner mithilfe eines Rechtsbeistands (Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Beratungsstellen) vor einem Insolvenzgericht die Eröffnung des Verfahrens. Beizulegen ist ein Nachweis für das Scheitern der außergerichtlichen Einigung, eine Auflistung der Gläubigerforderungen, ein Schuldenbereinigungsplan sowie eine Aufstellung der Vermögenswerte, über die der Schuldner noch verfügt.
Wo liegt der Vorteil eines solchen Verfahrens?
Der Schuldner kann einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen, der nach Ablauf der bisher sechsjährigen „Wohlverhaltensphase“ greift. In der dieser Phase hat der Schuldner nachweislich Anstrengungen zu unternehmen, seine Schulden zurückzuzahlen, zuvörderst durch Aufnahme einer Arbeit („Erwerbsobliegenheit“). So kann er zumindest einen Teil der Gläubigerforderungen abstottern. Zweifeln die Gläubiger das Wohlverhalten nicht formell an, so wird das Insolvenzverfahren nach sechs Jahren abgeschlossen. Der Privatpleitier ist dann unabhängig von noch nicht beglichenen Gläubigerforderungen wieder schuldenfrei – eben durch besagte Restschuldbefreiung.
Wer seine Schulden dauerhaft nicht zurückzahlen kann, ist insolvent. Gelingt es dem Schuldner nicht, sich mit seinen Gläubigern außergerichtlich zu einigen, bescheinigt ein Anwalt oder ein Schuldnerberater das Scheitern der Verhandlungen. Danach kann das Insolvenzverfahren vor einem Amtsgericht eröffnet werden.
In sechs Jahren müssen dann möglichst viele Schulden abgetragen werden. In dieser „Wohlverhaltensphase“ darf ein alleinstehender Schuldner ohne Unterhaltspflicht von seinem monatlichen Einkommen knapp 1050 Euro behalten. Verdient er mehr, wird der Rest an die Gläubiger verteilt. Für Schulden, die in dieser Zeit nicht zurückgezahlt werden, kann bei Gericht ein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt werden. Ab 1. Juli können sich Betroffene unter bestimmten Umständen schon nach drei Jahren von der Restschuld befreien lassen.
Was ändert sich vom 1. Juli an?
Die Verfahrensdauer kann auf drei Jahre verkürzt werden, sofern der Schuldner innerhalb dieses Zeitraums mindestens 35 Prozent seiner Schulden abgetragen hat. Außerdem müssen die Gerichtsverfahrenskosten in Höhe von mindestens 1500 Euro nach drei Jahren beglichen sein. Schwerer noch wiegen die Kosten für den Insolvenzverwalter. Dieser wird nämlich mit 40 Prozent der Summe vergolten, die der Schuldner an Schulden zurückzahlte.
Ein Beispiel: Einem mit 60.000 Euro verschuldeten Verbraucher gelingt es, innerhalb der ersten drei Jahre 35 Prozent seiner Verbindlichkeiten – also 21.000 Euro - abzutragen. Neben den Gerichtskosten von rund 2000 Euro muss der Schuldner nun auch noch 40 Prozent von 21.000 Euro an den Insolvenzverwalter zahlen, also weitere 8400 Euro. Insgesamt hat der Schuldner damit innerhalb von drei Jahren mehr als 31.000 Euro aufzubringen, um das Insolvenzverfahren vorzeitig beenden zu können.
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Werden das viele Verbraucher nutzen?
Kaum. Für Personen, die über so hohe Einkünfte oder Vermögenswerte verfügen, dass sie diese Kosten schultern können, empfehlen Experten einen anderen Weg. So sei es möglich, im Einverständnis mit den Gläubigern ein Insolvenzplanverfahren bei Gericht vorzulegen, erklärt Claudia Both, leitende Schuldnerberaterin der Verbraucherzentrale Berlin. Ein solches Vorgehen mit individuell zugeschnittenem Schuldenabbau und Teilschuldenerlass könne bereits nach wenigen Monaten zur Schuldenbefreiung führen und sei wegen der weitaus niedrigeren Verfahrenskosten vorteilhaft.
Gibt es keine anderen Möglichkeiten, das Insolvenzverfahren abzukürzen?
Doch. Wer innerhalb von fünf Jahren wenigstens die Kosten für Insolvenzverwaltung und Gericht bezahlt hat, kann nach dieser Zeit ein vorzeitiges Ende des Verfahrens beantragen. Nach Einschätzung des Verbands der Insolvenzverwalter Deutschlands werden die hierfür in der Regel notwendigen 2000 Euro rund ein Drittel der Schuldner aufbringen können.
Steigt die Zahl der Privatinsolvenzen oder sinkt sie?
Nach Einführung der Privatinsolvenz stieg die Zahl steil an und erreichte 2010 mit 110.000 Verfahren einen Höchststand. Seither ging die Zahl zurück und lag 2013 bei 91 500. Auch die neueröffneten Verfahren sind seit Jahren rückläufig. 2013 wurden 26.300 Verbraucherinsolvenzen beantragt, im Jahr zuvor waren es noch fast 29.000 gewesen. Auch die durchschnittliche Verschuldenssumme der Privatinsolventen sinkt. Sie betrug zwischen 2008 und 2010 rund 60.000 Euro und ging später auf 25.000 Euro zurück.