Neue Hartz-IV-Regeln Neue Hartz-IV-Regeln: Zurück zu den Eltern
Halle/MZ. - Der Grund sind neue Hartz-IV-Regeln. Sie führen aber nicht nur dazu, dass junge Arbeitslose wieder zu Hause einziehen müssen. Seit dem 1. Juli gelten auch für Eltern Änderungen: Wenn das bei ihnen lebende Kind Arbeitslosengeld (ALG) II beantragt, werden sie stärker zum Unterhalt heran gezogen.
Verpflichtungen größer
"Bisher wurde der Anspruch eines jungen Erwachsenen allein geprüft und berechnet", erläutert Ulrich Waschki, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit. 18- bis 25-Jährige hatten Anspruch auf ALG II sowie auf Erstattung der Miet- und Heizkosten für die eigene Wohnung. "Jetzt bilden sie mit den Eltern eine Bedarfsgemeinschaft." Einkommen und Vermögen der Eltern werden bei der Berechnung berücksichtigt.
Vielen jungen Menschen droht damit die unfreiwillige Rückkehr ins Elternhaus. Das könne etwa dann der Fall sein, wenn ihre Wohnung nach den Hartz-IV-Richtlinien zu groß oder zu teuer ist, erläutert Frank Jäger, Berater der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen in Frankfurt (Main). "Nach dem Gesetzestext ist es möglich, dass die Ämter in solchen Fällen auf die Wohnung der Eltern verweisen."
Auf Eltern mit eigenem Einkommen kommt dann eine höhere finanzielle Verpflichtung gegenüber den erwachsenen Kindern zu. "Dahinter steht der Gedanke, erst innerhalb der Familie vorzusorgen, bevor der Staat einspringt", resümiert Tina Hofmann, Jugendsozialarbeiterin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Möglicherweise müssen Paare künftig sogar "voll für ihre Kinder einstehen."
Je nach Höhe des Haushaltsgeldes bekommen Kinder entsprechend weniger ALG II oder keine staatliche Unterstützung. Ihnen bleibe dann nichts anderes mehr, als "Papa und Mama um Taschengeld zu bitten", sagt Hofmann. Grundsätzlich galt eine solche Unterhaltspflicht auch bisher. Um ALG II doch zu beziehen, reichte aber bisher eine schriftliche Gegenerklärung aus. Diese Möglichkeit ist passé.
Zwar sind der elterlichen Belastung Grenzen gesetzt: "Sie können nur in dem Maße aufkommen, wie sie selbst Einkommen oder Vermögen haben", erläutert Matthias Schulze-Böing, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft MainArbeit in Offenbach. Aber die Unterhaltspflicht greife unter Umständen auch dann, wenn ein Kind bereits eine Ausbildung beendet hat.
Nach den neuen Regeln bleiben einem Paar mit erwerbslosem Kind ohne Ausbildung ein Satz von 1 244 Euro plus Miete plus 50 Prozent des übrigen Einkommens oder Vermögens. Der Rest wäre dann für den Unterhalt des Kindes aufzuwenden. Eine Kulanzregelung gibt es aber für Eltern, die ALG II beziehen. Im Rechtsjargon seien diese zwar "unterhaltspflichtig". Wegen ihres geringen Einkommens sind sie aber nicht "unterhaltsfähig" - müssen also nicht zahlen.
Dafür kürzt der Gesetzgeber aber dem mit im Haushalt lebenden Kind die Leistung: Weil Wohnung und Hausrat von Eltern und Kind gemeinsam genutzt werden, erhalten junge Langzeitarbeitslose bis 25 Jahre nur noch 80 Prozent des derzeitigen Regelsatzes für ALG II. Das sind dann also nur noch 276 Euro.
Für junge Langzeitarbeitslose ist eine eigene Wohnung seit dem April sowieso kaum noch drin. Denn vom Staat kommen seitdem weder Beihilfen für Auszug, noch für Miete oder Heizkosten. Ausnahmen werden nur dann gewährt, "wenn die familiäre Situation zerrüttet ist - bei Gewaltsituationen zum Beispiel", sagt Tina Hofmann. Sie und Frank Jäger machen dabei aber auf einen wichtigen Haken aufmerksam: Junge Erwachsene müssen ihre miserable Familiensituation glaubhaft nachweisen.
Widerspruch möglich
Wenn Eltern und Kinder nicht mehr unter einem Dach leben wollen, sollte das Kind einen Antrag auf Auszug stellen. "Darin muss ich die unhaltbare Lage bescheinigen. Wenn abgelehnt wird, muss ich Widerspruch einlegen", sagt Frank Jäger. Gute Karten für einen Auszug hat laut Tina Hofmann, wer wegen einer entfernt liegenden Lehr- oder Arbeitsstelle das Elternhaus verlässt. Unter Umständen übernimmt der Staat sogar die Kosten. "Voraussetzung ist, dass der Umzug vorher angezeigt und genehmigt wird." Wer das vergisst, geht leer aus.