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Neue Ära im Steuerrecht: Abgeltungsteuer kommt bald

Von André Stahl 05.12.2008, 14:18

Berlin/dpa. - Kurz vor dem Jahreswechsel werden Kunden von Banken, Sparkassen und Versicherern mit Werbebroschüren geradezu überschüttet. «Die Zeit drängt» oder «Nur noch wenige Wochen zum Handeln» - so wird vor der Abgeltungsteuer gewarnt.

Sie läutet zum 1. Januar 2009 eine neue Ära im deutschen Steuerrecht ein. Künftig kassiert der Staat von Kapitaleinkünften pauschal 25 Prozent. Da der Steuerspartrieb in Deutschland besonders ausgeprägt ist, bricht vielerorts Hektik aus. Auch mehrere, eigens für die Abgeltungsteuer eingerichtete Internetseiten bieten ausgeklügelte Strategien, wie Sparer und Aktionäre mit Vermögensumschichtungen und bestimmten Anlagen die ungeliebte Abgabe vermeiden, sich Vorteile des alten Rechts sichern und Übergangsregelungen nutzen können. Aber auch hier will eine Anlage gut überlegt sein. Die Abgeltungsteuer bringt nicht für jeden Anleger nur Nachteile ­ ganz im Gegenteil.

Die Fakten: Von Januar an werden Zinsen, Dividenden, Kurs- und Währungsgewinne oder Fondsausschüttungen pauschal mit 25 Prozent besteuert - zuzüglich Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent und gegebenenfalls Kirchensteuer. Die Abgeltungsteuer fällt nur an, wenn die Kapitalerträge über dem Sparerpauschbetrag von 801 Euro beziehungsweise 1602 Euro für Verheiratete liegen. Sie wird von den Banken automatisch einbehalten und direkt ans Finanzamt abgeführt. Die Ansprüche vom Fiskus sind damit erledigt oder «abgegolten» - daher auch der Name für die neue Steuer auf Kapitalerträge.

Ausgenommen sind Anlagen zur privaten Altersvorsorge: Riester-Fondssparpläne, die Rürup-Rente und betriebliche Vorsorge. Unberührt bleiben auch private Renten- und Kapitallebensversicherungen, wenn der Vertrag vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossen wurde und er nicht vor Ablauf einer zwölfjährigen Laufzeit gekündigt wird. Für Aktien, Fonds und festverzinsliche Wertpapiere gibt es Bestandsschutz: Gewinne aus dem Verkauf von Anlagen, die vor Silvester 2008 erworben wurden, bleiben steuerfrei, wenn die Papiere mindestens ein Jahr im Depot liegen. Bei allen ab 1. Januar 2009 gekauften Aktien - direkt oder über Fonds - pocht der Fiskus auf seinen Anteil, egal wie lange die Papiere gehalten werden. Für Zertifikate gelten Sonderregelungen.

Es gibt also Gewinner und Verlierer. Sparer mit hohem Einkommensteuersatz etwa werden bei Zinserträgen bessergestellt. Denn bisher wurden für Kapitalerträge bis zu 42 Prozent (bei Top-Verdienern 45 Prozent) Einkommensteuer fällig - je nach persönlichem Steuersatz. Künftig wird ein Viertel abgezwackt, egal, ob die Anlage 1000 oder eine Million Euro Erträge abwirft. Dagegen müssen unter anderem diejenigen tiefer in die Tasche greifen, die für ihr Alter mit Fondssparplänen vorsorgen. Die neue Steuer führt zudem dazu, dass Kapitalerträge gegenüber Arbeitseinkommen steuerlich bevorzugt werden. Aus Sicht von Kritikern ein schwerwiegender Eingriff: Schon seit 1920 gelte doch das Prinzip, dass gleiche Einkommen gleich belastet werden.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) weiß um diese neuen Ungerechtigkeiten. Er hofft aber, Kapitaltransfers und Steuerflucht ins Ausland einzudämmen. Kritikern in den eigenen Reihen hält er die «simple Rechnung» entgegen, er bekomme lieber «25 Prozent von X als 42 Prozent von nix».

Es müssen auch nicht alle Steuerzahler die Pauschalabgabe leisten. Wer aufgrund geringer Einkünfte - bis zu etwa 15 000 Euro jährliches Arbeitseinkommen - weniger als 25 Prozent Steuern zahlt, kann das alte, am individuellen Steuersatz orientierte Verfahren wählen. «Zu viel» gezahltes Geld kann über die Steuererklärung zurückgeholt werden. Auch für andere Anleger kann sich das mühsame Ausfüllen der Steuererklärung lohnen - etwa bei der Verrechnung von «Alt-Verlusten» mit Gewinnen aus Kapitalanlage-Veräußerungen für eine Übergangszeit bis 2013. Für viele wird es dagegen weniger lästig.

Wer die Abgeltungsteuer umgehen will, dem raten Experten: Der Steueraspekt allein sollte niemals entscheidend sein. Lebensplan, Risiken und zusätzliche Kosten sollten ebenso berücksichtigt werden.