Nach VW-Abgas-Skandal Nach VW-Abgas-Skandal: Hat der Diesel eine Zukunft?

Halle (Saale) - Bei den Autobauern geht die Angst um: Wird durch den Abgas-Skandal bei VW das Image des Diesels insgesamt beschädigt? Der Antrieb dürfe nun nicht infrage gestellt werden, mahnte Ford-Deutschlandchef Bernhard Mattes. Sowohl Ford als auch BMW, Opel und Citroën betonten, die Abgaswerte ihrer Fahrzeuge seien nicht manipuliert. Allein die Frage, ob der Diesel eine Zukunft hat, empfinden die Automanager wahrscheinlich als eine Zumutung. Doch die Manipulationen bei VW legen offen, dass es den Autobauern nur mit größter Mühe gelingt, die Fahrzeuge sauber und dennoch sparsam zu machen.
Der Vater des Verbrennungsmotors ist Rudolf Diesel, der diesen 1893 konstruierte. Dieselmotoren wurden Anfang des 20. Jahrhunderts zuerst in Schiffen (1903) und Lokomotiven (1913) eingebaut. Den ersten Pkw mit Dieselmotor baute 1933 der französische Autobauer Citroën und gab dem Fahrzeug den schönen Namen Rosalie. Das Fahrzeug ging jedoch nicht in Serienproduktion. Dies übernahm 1936 der Autobauer Daimler, der den Mercedes-Benz 260 D auf der Autoschau IAA vorstellte.
Ansaugen, Verdichten, Arbeiten und Ausstoßen
Das grundlegende Prinzip bei Otto- und Dieselmotoren ist gleich: Ansaugen, Verdichten, Arbeiten und Ausstoßen. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass bei einem Otto-Motor ein Kraftstoff-Luft-Gemisch durch die Zündkerze zur Verbrennung gebracht wird. Bei einem Dieselmotor wird dagegen Luft, unter Beimischung von Abgas, extrem verdichtet. Dadurch entstehen hohe Temperaturen. Wird dann der Diesel zugeführt, entzündet sich der Kraftstoff von selbst - man spricht daher auch von einem Selbstzünder. Nur beim Start des Fahrzeuges sind sogenannte Glühkerzen notwendig, um den Prozess schneller in Gang zu bringen.
Der größte Vorteil des Dieselmotors ist es, dass sein Wirkungsgrad höher ausfällt. Er verbrennt den eingesetzten Kraftstoff effizienter. Ein Diesel kann bis zu 50 Prozent der Kraftstoffenergie in Arbeit umwandeln, ein Ottomotor im Pkw kommt maximal auf 38 Prozent. Der Rest sind Abgasverluste und Motorwärme. Werden die Motoren, wie im Pkw üblich, bei reduzierter Leistung betrieben, so ist der Verbrauchsunterschied zwischen Diesel und Otto mit etwa 20 Prozent noch größer.
Diesel spart Sprit
Der Diesel spart also Sprit. Daher setzten zuerst die Taxifahrer auf ihn. Ansonsten wurden die Fahrzeuge lange als „Trecker“ verspottet. So richtig auf Touren kamen die Dieselautos erst in den 80er Jahren mit der Einführung des Turboladers - Audi war Vorreiter. Dieser ist - einfach ausgedrückt - ein Vorverdichter, der die Verbrennungsluft schon komprimiert. Dadurch wird mehr Sauerstoff eingesetzt und es kann auch mehr Kraftstoff zugeführt werden, die Folge ist eine deutlich höhere Leistung.
Im Vergleich der Rohemissionen - also den Schadstoffen, die der Motor ohne Abgasnachbehandlung ausstößt - sei der Dieselmotor deutlich sauberer als der Ottomotor, sagt Karl Huber, Professor für Verbrennungsmotoren an der Technischen Hochschule Ingolstadt.
Das ändert sich radikal, wenn eine Abgasreinigung (wie beim Ottomotor üblich) zum Einsatz kommt. „Der Drei-Wege-Katalysator ist die beste Erfindung nach dem Ottomotor“, sagt der Motorenforscher. Im inneren eines Katalysators werden durch katalytisch wirksame Metalle die giftigen Abgase wie Kohlenstoffmonoxid (CO) und Stickoxide (NOx) umgewandelt. Dazu ist ein stabiles Kraftstoff-Luftverhältnis nötig. Damit gelingt es bei einem Ottomotor, die Schadstoffe nahezu vollständig zu beseitigen.
Keine Reinigung möglich
„Beim Dieselmotor ist eine solche Reinigung nicht möglich, da sich die Luftverhältnisse im Motor in Abhängigkeit von der Fahrweise ständig ändern“, erklärt Huber. Eine komplizierte Abgasbehandlung ist daher nötig: Die Kohlenwasserstoffe und das Kohlenmonoxid werden vom Oxidations-Katalysator umgewandelt, die Partikel schluckt der Rußpartikelfilter.
Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr zu den Schwierigkeiten, die durch Stickoxide bereitet werden und das Problem der Diesel-Autobauer bei der Entscheidung zwischen sparsamen oder saubereren Motoren.
Schwierigkeiten bereiten die Stickoxide. Nach Worten von Huber kommen bei Mittelklassenautos, die der Abgasnorm Euro 5 entsprechen, vor allem sogenannte Denox-Speicherkats zum Einsatz. Diese binden die Stickoxide an Metalle - sie werden gesammelt. Irgendwann muss der Kat aber auch entladen werden. Die Autohersteller haben dies so gelöst, dass sie mehr Kraftstoff einspritzen als der Motor verbrauchen kann. Man bekommt ein für Dieselmotoren völlig unübliches „fettes Abgas“ mit Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen, die mit den Stickoxiden reagieren. Diese Be- und Entladezyklen wechseln im Fahrbetrieb ständig ab, wobei die Entladung den Kraftstoffverbrauch maßgeblich erhöht. Eine digitale Motorsteuerung ist für solche Systeme mit einer Abgasbehandlung zwingend erforderlich.
Dass bei VW die Motorsteuerung erkannt hat, wenn sich ein Auto auf dem Prüfstand befindet, bezeichnet Huber „als ganz normal“. „Wenn auf einem Rollenstand beispielsweise nur eine Achse angetrieben wird, würden viele elektronische Systeme sonst streiken“, so Huber. „Wichtig ist nur, dass sich das Auto am Rollenprüfstand so benimmt wie beim Kunden.“ Das ist vielen VW-Autos anders, wie der Konzern selbst einräumte. Auf dem Prüfstand waren die Werte viel niedriger als im Straßenbetrieb.
Entweder sauber oder sparsam
Das Problem für VW - aber auch für andere Autobauer - besteht darin, dass sie entweder einen sauberen Diesel bauen, das kostet dann mehr Kraftstoff zum Entladen des Denox-Speichercats; oder sie bauen ein sparsames Auto, dann sind die Emissionen höher. VW propagierte aber, dass die Autos beides können. Einem Bericht der „Bild am Sonntag“ zufolge sollen VW-Ingenieure nun intern zugegeben haben, 2008 die Manipulations-Software installiert zu haben. Es sei keine Lösung gefunden worden, wie sowohl die Abgasnormen als auch die Kostenvorgaben für den Motor eingehalten werden konnten. Dazu ist wichtig zu wissen, dass die Abgasnormen für Diesel in den USA besonders streng sind. In Europa dürfen Dieselmotoren 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen - in den USA nur 30.
Motorexperte Huber hält es für machbar, einen tatsächlich sauberen Diesel zu bauen, wobei der Aufwand in der Abgasnachbehandlung aber enorm ist und mehr als 30 Prozent der Kosten für den Motor verschlingen wird. „Dieser Mehraufwand ist für kleine und mittelgroße Autos kaum vertretbar, so dass der Dieselmotor hier keine Zukunft haben wird“, sagt Huber. Dies gelte umso mehr, je sparsamer der Ottomotor wird. (mz)