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MZ-Interview mit Leipziger Messe-Chef MZ-Interview mit Leipziger Messe-Chef: "Halle/Leipzig ist keine Billig-Region"

09.11.2014, 19:41
Martin Buhl-Wagner wurde im sächsischen Annaberg-Buchholz geboren. Seit Oktober 2010 führt der 48-jährige Wirtschaftsingenieur die Leipziger Messe. Diese erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 88,1 Millionen Euro. 1,2 Millionen Gäste besuchten 2013 die Messe.
Martin Buhl-Wagner wurde im sächsischen Annaberg-Buchholz geboren. Seit Oktober 2010 führt der 48-jährige Wirtschaftsingenieur die Leipziger Messe. Diese erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 88,1 Millionen Euro. 1,2 Millionen Gäste besuchten 2013 die Messe. Silvio Kison Lizenz

Leipzig - Der Messeplatz Leipzig feiert im nächsten Jahr sein 850-jähriges Bestehen. Seit der Wende ist die Leipziger Messe wieder unter die zehn größten deutschen Messeplätze aufgerückt. Doch gerade große Schauen wie die Automesse AMI schwächelten zuletzt. Wie sieht die Zukunft der Messe im Internetzeitalter aus, in dem sich Menschen unabhängig von ihrem Ort miteinander verbinden können? Steffen Höhne sprach mit Messe-Chef Martin Buhl-Wagner.

Das Internet verbindet die Menschen auf der ganzen Welt. Muss ein Unternehmen überhaupt noch auf eine Messe gehen, um Kunden an einem Platz anzusprechen?

Buhl-Wagner: Die Digitalisierung ist ein Thema, dem sich fast alle Wirtschaftsbereiche stellen müssen. Das Internet steht aber nicht in Konkurrenz zum Messegeschäft. Auf Messen gibt es Produkte zum Anfassen und Menschen gehen persönliche Bindungen ein. Daher wird es Messen immer geben. Das Internet ermöglicht aber gerade im Vorfeld einer Schau, die Inhalte stärker einer speziellen Gruppe oder einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Woran liegt es dann, dass eine Ihrer Leitmessen, die Auto Mobil International (AMI) schwächelt? Einige renommierte Auto-Konzerne kamen zur letzten Veranstaltung nicht. Der Besucherandrang war nicht so groß wie erhofft. Viele potenzielle Autokäufer verfügen durch das Netz schon über fast alle relevanten Informationen.

Buhl-Wagner: Das ist richtig. Vor einigen Jahren stand der Informationscharakter der Automesse noch im Vordergrund. Die AMI hat sich dahin gewandelt, dass der Erlebnischarakter, etwa durch Testfahrten, immer stärker wird. Wir arbeiten schon jetzt daran, dass die AMI in zwei Jahren eine angepasste Positionierung erfährt.

Das klingt noch sehr abstrakt. Was haben Sie konkret vor?

Buhl-Wagner: Die Automesse muss zum einen noch mehr eine Erlebniswelt werden, auf der sich die Besucher einen schönen Tag machen können. Zum anderen wollen wir die Zukunft des Automobils noch stärker in den Fokus rücken. In Leipzig haben wir mit BMW einen führenden Elektroauto-Hersteller. Wie wird morgen Auto gefahren? Diese Themen sollen auch das Fachpublikum ansprechen.

Der AMI 2014 bleiben namhafte Autokonzerne aus Frankreich, Italien und Japan fern. Fehlt dem Messeplatz die internationale Ausstrahlung?

Buhl-Wagner: Nein, dem ist nicht so. Die Messe ist immer Spiegel der Branche. Sie kann keine neuen Trends schaffen. In der Auto-Welt findet durch die Globalisierung und neue Technologien ein Umbruch statt. Auch die Einstellung, etwa junger Menschen, zum Auto hat sich geändert. Es wird zumindest in Deutschland weniger als Statussymbol gesehen. Darauf müssen die Autobauer und mittelbar wir als Messe eine Antwort finden.

Unabhängig von der Auto-Messe fällt es Leipzig aber schwer, internationale Leitmessen zu etablieren.

Buhl-Wagner: Das ist auch alles andere als einfach. Die großen Leitmessen, die etwa in Hannover oder Düsseldorf stattfinden, entstanden in den 60/70er Jahren und haben sich in den vergangenen Jahrzehnten im Markt etabliert. Leipzig musste nach 1990 - nimmt man die Buchmesse heraus - fast komplett neu anfangen. Doch auch wir haben in den Fachmessethemen sehr wohl Weltleitmessen, bei denen sich die Branche trifft. Das sind beispielsweise die Orthopädie-Reha-Technik-Messe OT World oder als europäische Leitmesse die Denkmal und die Buchmesse.

Auf der nächsten Seite: Warum Halle wichtig für die Leipziger Messe ist!

Wie wollen Sie die Leipziger Messe voranbringen?

Buhl-Wagner: Wir haben in Leipzig derzeit zwischen 30 bis 40 Messen im Jahr. Hinzu kommen etwa 70 Kongresse und 30 sonstige Events. Das heißt, bis zu 140 Veranstaltungen finden bei uns statt. Wir sind fachspezifisch geworden. Nun muss es darum gehen, die bestehenden Messen weiterzuentwickeln, aber auch neue zu etablieren - durch Zukauf, Kooperationen, Neuentwicklungen.

Gerade das Kongress-Geschäft entwickelt sich in Leipzig sehr positiv. Woran liegt das? Sind es vor allem die vergleichsweise günstigen Hotel-Preise?

Buhl-Wagner: Das Kongress-Geschäft floriert, weil der Raum Leipzig/Halle alles bietet, um in diesem Bereich erfolgreich zu sein. Entscheidend ist dabei die gute Kooperation mit renommierten Spezialisten aus Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, um anspruchsvolle Kongresse einzuwerben. Wir haben gute bis sehr gute Verkehrsanbindungen. Die Hotels und Restaurants haben einen guten Standard und die Preise sind vertretbar. Wir leben hier nicht mehr in einer Billig-Region.

Sie sprechen vom Raum Leipzig/Halle ...

Buhl-Wagner: Ja, bei einigen großen Veranstaltungen sind beispielsweise in Leipzig die Hotelbetten voll belegt, da werden dann auch Kapazitäten in Halle gebucht.

In der Vergangenheit wurden fehlende Direktflug-Verbindungen zum Airport Leipzig/Halle beklagt. Wie sehr ist dies ein Hemmnis für die Messe?

Buhl-Wagner: Wir sollten realistisch sein. Die großen Fluggesellschaften, die fast alle unter enormem Kostendruck stehen, haben sich auf Flugkorridore festgelegt. Frankfurt und München sind die großen Drehkreuze in Deutschland. Der Flughafen Leipzig/Halle besitzt wieder eine Reihe von Direktverbindungen in europäische Metropolen. Natürlich wünschen wir uns noch mehr Verbindungen. Für uns wird auch der neue Hauptstadtflughafen Berlin interessant, der uns sicher zusätzliche Gäste bringen wird.

Einige Fach-Schauen veranstalten Sie bereits außerhalb Leipzigs - etwa eine Kosmetik-Messe in München und eine Lifestyle-Messe in Düsseldorf. Werden Sie künftig noch stärker an anderen Messeplätzen aktiv?

Buhl-Wagner: Unsere Gruppe erwirtschaftet bereits ein Viertel ihres Umsatzes außerhalb Leipzigs. Wir folgen mit unseren Themen den Märkten. Das heißt, wir gehen auch an andere Standorte, wenn dort die Kunden sind, die zu unseren Themen passen.

Leipzig wird eine hohe Osteuropa-Kompetenz zugeschrieben. Doch es fällt der Messe offenbar schwer, das wirtschaftlich umzusetzen.

Buhl-Wagner: Nein, es fällt uns nicht schwer, dies wirtschaftlich umzusetzen. Allerdings sind die Märkte in Osteuropa anders als in Westeuropa. Unsere internationalen Aussteller kommen mehr aus Westeuropa und Besuchergruppen kommen eher aus Osteuropa. Leipzig ist somit für viele westeuropäische Firmen das Tor, um auf osteuropäische Märkte zu kommen. Zudem veranstalten wir Schauen wie die Denkmal-Messe auch in Moskau.

Der Umsatz der Leipziger Messe ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Wenn man Ihnen zuhört, dann sind Sie mit der Entwicklung insgesamt zufrieden. Wieso benötigt die Leipziger Messe dann immer noch staatliche Zuschüsse?

Buhl-Wagner: Das ist in der Messewelt kein Einzelfall. Natürlich sind wir bestrebt, die Zuschüsse zu reduzieren. Das gelingt auch. Wir haben aber nicht nur den Auftrag wirtschaftlich zu arbeiten, sondern auch Wirtschaftsförderung zu betreiben. Zu jedem Euro, der auf der Messe ausgegeben wird, kommen etwa sechs Euro hinzu, die in die Region fließen. Gerade Hotels und Gaststätten profitieren beträchtlich. Bei Kongressen liegt das Verhältnis sogar bei eins zu 13. So gesehen ist die Messe kein Zuschussbetrieb, sondern ein Motor für die regionale Wirtschaft.