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Musikhandwerk Musikhandwerk: Geigenbau nach Stradivaris Maßstäben

Von Klaus Sievers 23.12.2013, 06:18
Geigenbauer Matthias Vorbrodt schnitzt in seiner Werkstatt in Braunschweig einen Steg zurecht.
Geigenbauer Matthias Vorbrodt schnitzt in seiner Werkstatt in Braunschweig einen Steg zurecht. dpa Lizenz

Braunschweig/dpa - Form, Größe und die Strukturen von Geigen sind seit Jahrhunderten gleich. „Die Maßstäbe, die Stradivari vor 300 Jahren gesetzt hat, sind noch heute gültig“, sagt Geigenbauer Matthias Vorbrodt. Vorbrodt ist seit kurzem Chef des Traditionsunternehmens Rautmann in Braunschweig. In der nach seinen Angaben ältesten Geigenbauwerkstatt Deutschlands haben seit 1844 fünf Generationen Instrumente für bekannte Violinisten wie Yehudi Menuhin oder Michail Goldstein gebaut.

Meisterliche Handarbeit

Weil sich für den Familienbetrieb kein Nachfolger mehr fand, hat der 45-jährige Vorbrodt, der noch eine Geigen-Werkstatt in der Harz-Stadt Wernigerode betreibt, die Firma übernommen. Der Geigenbau ist noch immer Handarbeit, und überwiegend wird mit alten Techniken gearbeitet. Bis zur Fertigstellung eines Instrumentes werden rund 500 Arbeitsschritte gebraucht, erläutert Vorbrodt. „Das dauert rund 180 Stunden in mehreren Monaten“.

Ein guter Klang entsteht durch das Zusammenspiel mehrerer Komponenten. Wichtig ist beispielsweise das Holz, das langsam und gleichmäßig gewachsen und länger gelagert sein muss. Für die Geigendecken wird vor allem Fichte, für die Böden und die Seitenteile Bergahorn bevorzugt aus Bosnien verwendet. Wenn das gute Stück fertig ist, dann wird geprobt, justiert und korrigiert. Diese meisterliche Handarbeit hat ihren Preis: Eine Rautmann-Geige kostet von 4000 Euro an aufwärts.

In Deutschland gibt es noch rund 500 Geigenbauer, schätzt Susanne Conradi, stellvertretende Vorsitzende des Verbandes deutscher Geigenbauer. Meist handle es sich um Ein-Mann-Betriebe oder kleine Familienunternehmen, die hauptsächlich vom Reparaturgeschäft lebten. Nur wenige konzentrierten sich noch auf den Bau von Geigen. Besonders Betriebe im unteren Preissegment hätten stark mit der Billigkonkurrenz aus China zu kämpfen, einige hätten bereits aufgegeben. „Andererseits gibt es wieder mehr Eltern, die ihren Kindern gute deutsche Instrumente kaufen und bereit sind, dafür auch mehr Geld auszugeben“, sagt Conradi.

Violinen, Celli und Bratschen zur Miete

Auch Vorbrodt lebt überwiegend von Geigen-Reparaturen. Das lohnt sich für beide Seiten. Gute Geigen sind teuer und werden sehr alt. „Geigen sind reparaturfreundlich, weil man sie immer wieder leicht öffnen und dann einfach Teile austauschen oder sanieren kann,“ sagt der Geigenbauer. Vorbrodt nennt typische Reparaturen: die Wirbel nachspannen, den Steg erneuern, das Griffbrett glätten oder den Lack erneuern und polieren. Der Geigenbaumeister hat schon 300 Jahre alte Instrumente wieder zu gutem Klang gebracht.

Neben Reparaturen und Geigenbau vermietet Vorbrodt Violinen, Celli und Bratschen jeweils für mehrere Jahre an seine Kunden. So können Eltern, die ihre Kinder an die Musik heranführen wollen, ein einfaches Instrument mieten und es über die Jahre in größere Modelle eintauschen - bis sie später dann vielleicht ein höherwertiges Instrument kaufen. Er hat inzwischen rund 200 Mietkunden. So könne auch das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Geigenbauer und Kunden wachsen, meint Vorbrodt. Das sei die Basis des Geschäfts.

Geigen hängen in einer Werkstatt in Braunschweig.
Geigen hängen in einer Werkstatt in Braunschweig.
dpa Lizenz