Macrons Pläne Macrons Pläne für Frankreich und die EU: Ein Finanzminister für die Eurozone

Berlin - Ungewöhnliche Umstände erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Das gilt auch, wenn es um Europa geht. Die EU-Kommission in Brüssel etwa mischt sich normalerweise nicht in Wahlen in einem Mitgliedsland ein. Aber Frankreich ist ein Schlüsselstaat der Gemeinschaft, da kann man schon einmal eine Ausnahme machen. Erst recht, wenn sich im Finale der Präsidentschaftswahl am 7. Mai der Pro-Europäer Emmanuel Macron und die rechtsextreme EU-Hasserin Marine Le Pen gegenüberstehen werden.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker jedenfalls griff noch am Sonntagabend zum Telefon, um Macron nach der ersten Runde persönlich „viel Erfolg“ für die Stichwahl zu wünschen. Vor allem aber sorgte Juncker dafür, dass dies auch öffentlich bekannt wurde. Sein Sprecher sagte am Montag: „Wir führen keinen Wahlkampf.“ Er ergänzte aber mit Blick auf die kommenden zwei Wochen: „Wir hoffen sehr, dass es eine unvermeidliche, große öffentliche Debatte über Europa geben wird.“
Die Erleichterung ist groß in Brüssel. Sie ist es auch in den Regierungszentralen von Berlin über Rom bis Lissabon sowie an den internationalen Finanzmärkten. Der 39-jährige Macron hat beste Chancen, tatsächlich als nächster Staatspräsident in den Elysée-Palast in Paris einzuziehen. Im Gegensatz zu Le Pen steht ohne Wenn und Aber zur Europäischen Union und zur Gemeinschaftswährung Euro.
Und, was mindestens genauso wichtig ist: Macron verspricht den Franzosen und den europäischen Partnern, sein Land von Grund auf zu reformieren. Nach Jahren der Stagnation und des Niedergangs soll die Wirtschaft endlich wieder in Schwung kommen, die Arbeitslosigkeit sinken und das Schuldenmachen ein Ende haben. Er wolle ein „neues Frankreich“ erschaffen, schreibt der ehemalige Wirtschaftsminister in seinem Wahlprogramm. Und zwar eines, das der Welt zugewandt ist, dessen Unternehmen wettbewerbsfähig sind und das den Zusammenhalt der Gesellschaft sichert.
Erst Investmentbanker, dann Politiker
Vielen Rechten ist Macrons liberale Grundhaltung suspekt, vielen Linken sein bisheriger Werdegang: Wie so viele französische Spitzenpolitiker ist er Absolvent der Eliteschulen des Landes. Als Investmentbanker wurde er reich, bevor er als Berater in die Politik ging. Macron sagt, dass er selbst und seine Bewegung En Marche „weder links noch rechts“ seien. Wenn es um die Wirtschaft geht, ist sein Programm sozialliberal. Er verspricht beides: Reformen, die sich direkt in den Geldbörsen der Arbeitnehmer und Jobsuchenden bemerkbar machen. Sowie solche, die die Finanzkraft der Unternehmen stärken und den aufgeblähten Staatsapparat verkleinern.
120.000 weniger Stellen im Öffentlichen Dienst
60 Milliarden Euro soll der Staat nach Macrons Vorstellungen in den kommenden fünf Jahren einsparen und Frankreich damit endlich wieder die Vorgaben des Euro-Stabilitätspakts erfüllen. Im Öffentlichen Dienst sollen 120.000 Jobs wegfallen. Gleichzeitig plant der Kandidat ein umfangreiches Investitionsprogramm, um Wirtschaft und Arbeitsmarkt anzukurbeln: 50 Milliarden Euro soll der Staat während der kommenden Amtszeit investieren, unter anderem in eine besser Aus- und Weiterbildung, in erneuerbare Energien, in den Ausbau der Infrastruktur sowie die Modernisierung von Verwaltung, Gesundheitswesen und Landwirtschaft.
Die Unternehmenssteuern will Macron von derzeit 33,3 auf 25 Prozent senken und so zusätzliche Investitionen im Privatsektor ermöglichen. An der umstrittenen 35-Stunden-Woche will er im Prinzip festhalten, sie soll aber flexibler werden. Die Sozialparteien sollen insgesamt mehr Autonomie erhalten. Arbeitnehmer sollen weniger Sozialabgaben abführen und so ihre Kaufkraft steigern, auch Geringverdiener sollen mehr Geld bekommen. Wer von sich aus kündigt, soll trotzdem Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen können. Freiberufler und Kleinunternehmer sollen Zugang zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung erhalten.
Ein Finanzminister für die Währungsunion
Auch für die Europäische Währungsunion hat Macron große Pläne: Er will die Eurozone mit einem eigenen Budget, einem Finanzminister und einem Parlament ausstatten – „um deutlich mehr zu investieren als heute“, wie es im Wahlprogramm heißt. Viele Experten halten das für den richtigen Ansatz, um die wirtschaftspolitische Steuerung der Währungsunion zu verbessern.
Die deutsche Bundesregierung allerdings ist an dieser Stelle eher skeptisch, zumindest ihr konservativer Teil. In Berlin ist es gerade nicht en vogue, über mehr Kompetenzen für Europa nachzudenken. Hinzu kommt, dass ein Umbau der Währungsunion früher oder später auch eine Änderung des EU-Vertrags notwendig machen dürfte. Ob sich das durchsetzen lässt, ohne neue Begehrlichkeiten an anderer Stelle zu wecken, ist fraglich.