Lohnuntergrenzen Lohnuntergrenzen: Viele Firmen unterlaufen Mindestlohn ihrer Branche

berlin/mz - Mehr als 4,5 Millionen Arbeitnehmer in 13 Branchen erhalten mittlerweile einen Mindestlohn. Zumindest theoretisch. In der Praxis werden die im Entsendegesetz festgehaltenen Lohnuntergrenzen nicht selten ignoriert. So stellten Zollbeamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) im vergangenen Jahr in jeder zwölften Großwäscherei fest, dass die ohnehin nicht üppigen Mindestlöhne von sieben Euro im Osten und acht Euro im Westen unterschritten wurden.
Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen hervorgeht, sieht es bei Gebäudereinigern, am Bau und in den meisten anderen Wirtschaftszweigen ähnlich aus. Dort hielten sich zwischen sechs und acht Prozent der Unternehmen nicht an das gesetzlich verankerte Mindestentgeltniveau. Besonders häufig wurden die Fahnder auf Baustellen fündig: Von 26 775 überprüften Unternehmen verstießen 1 690 gegen den Paragrafen 266a des Strafgesetzbuchs, der für das „Vorenthalten von Arbeitsentgelt“ Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vorsieht. Die Zahlen zeigen, dass sich Arbeitnehmer - aus Angst vor Jobverlust -oft scheuen, den ihnen gesetzlich garantierten Lohn einzufordern. Damit freilich ist die Funktion der Mindestlöhne in Frage gestellt. Sie sollen Menschen, die in Wirtschaftszweigen ohne schlagkräftige Arbeitnehmervertretung beschäftigt sind, ein existenzsicherndes Einkommen garantieren und einem Wettbewerb Einhalt gebieten, in dem sich die Firma Vorteile verschafft, die Hungerlöhne zahlt. Voraussetzung freilich sind wirksame staatliche Kontrollen.
Daran aber mangelt es. Allein im Baubereich gibt es rund 70 000 Betriebe mit gut 700 000 Mitarbeitern. Hinzu kommen einige zehntausend Unternehmen im Wachgewerbe, in der Leiharbeit, der Gebäudereinigung, im Pflegedienst und anderen Branchen. Von August an gelten auch im Friseurhandwerk mit mehr als 80 000 Einzelunternehmen Mindestlöhne. Fast fünf Millionen Beschäftigte werden dann in Branchen arbeiten, in denen ein Mindestlohn gesetzlich verankert ist.
Dem stehen 6 769 Planstellen der FKS gegenüber. Eine bescheidene Zahl, die geradezu mickrig wirkt, wenn man die Entwicklung der FKS seit ihrer Gründung vor zehn Jahren betrachtet: Der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel hatte der Sondereinheit nämlich allein die Bekämpfung der Schwarzarbeit zugewiesen. An eine Kontrolle von Mindestlöhnen dachte damals niemand, da es diese nur im Baugewerbe gab.