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Löhne Löhne: Plant Aldi Nord den langfristigen Ausstieg aus der Tarifbindung?

Von Stefan Sauer 15.08.2018, 14:42
Das Logo von Aldi Nord
Das Logo von Aldi Nord dpa

Bisher legen die großen Discounter der Republik Wert auf die Feststellung, dass sie trotz günstiger Verbraucherpreise ihren Beschäftigten anständige Löhne auf und über Tarifniveau zahlen. In der Tat gehören Aldi Nord und Süd, Lidl und Kaufland dem deutschen Einzelhandessverband HDE an, der mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Tarifverträge abgeschlossen hat. Und tatsächlich zahlen die Branchenriesen nicht nur Tariflöhne, sie legen mitunter sogar noch einiges drauf.  Fraglich ist allerdings, ob dies so bleibt. Aldi Nord hat nach Angaben von Verdi in 31 der 33 Einzelunternehmen des Gesamtkonzerns Arbeitsverträge abgeschlossen,  die eine Art Ausstiegklausel aus dem Flächentarif enthalten.

Unproblematische Bekräftigung des Selbstverständlichen oder brisante Klausel?

Tarifvertragliche Vereinbarungen gälten nur,  „solange der Arbeitgeber tarifgebunden ist“, heißt es da. Das klingt zunächst nach unproblematischer Bekräftigung des Selbstverständlichen, ist aber durchaus brisant: Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2001 können Unternehmen  nämlich erst dann aus der Tarifvertragsbindung ausscheiden, wenn sie diese Option zuvor in Arbeitsverträgen ausdrücklich erwähnen. Und genau dies tut Aldi Nord: Man verweist auf die Möglichkeit des Ausstiegs sowie auf Haustarifverträge, die an Stelle des Flächentarifs treten könnten. Dabei liefert der Vertragstext die Zielrichtung solcher Änderungen gleich mit: Sollte der Arbeitgeber die Tarifbindung kündigen, würden die zu diesem Zeitpunkt geltenden Löhne weiter gezahlt – aber das war‘s dann auch. Von anschließenden Tariflohnsteigerungen würden die Beschäftigten nicht mehr profitieren.

„Wir sind alarmiert und beobachten sehr genau, ob Aldi Nord tatsächlich den Ausstieg aus  Tarifbindung vorbereitet“, sagt Verdi-Sprecher Günter Isemeyer. Bisher gebe es keine konkreten Hinweise darauf, zumal der Konzern entsprechende Absichten vehement dementiert habe. Allerdings stelle sich die Frage, warum der Discounter die Ausstiegs-Passagen seit 2014 in die neuen Arbeitsverträge aufgenommen habe. Isemeyer vermutet, es handele sich um „eine Art Vorratsbeschluss“, um im Fall der Fälle rasch reagieren und die Lohnkosten senken zu können: Wenn etwa nach dem Discounter real, der 2015 aus dem HDE-Verdi-Tarifvertrag ausstieg, weitere Konkurrenten diesen Weg beschritten.

Gesetzgeber muss gegen grassierende Tarifflucht vorgehen

Andererseits könnte aber Aldi Nord selbst zum Totengräber der Tarifbindung im Einzelhandel werden: Ein Ausstieg des Konzerns würde mit großer Wahrscheinlichkeit von Aldi Süd sowie den Konkurrenten Lidl und Kaufland nachvollzogen.  Zwar sei mit einer solchen Entwicklung zumindest in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, glaubt  Isemeyer und verweist auf den vielerorts akuten Personalmangel im Einzelhandel. Gleichwohl müsse der Gesetzgeber endlich gegen die seit Jahren grassierende Tarifflucht vorgehen, um Tarillöhne abzusichern: Tarifverträge zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sollten für allgemeinverbindlich erklärt werden, ohne das Dachverbände Einspruch erheben könnten oder die bisherigen Quoten erfüllt werden müssten. Mit der Allgemeinverbindlichkeit gilt ein Tarifvertrag für sämtliche Unternehmen und Beschäftigten einer Branche.