Leukämieerkrankungen in Bothel Leukämieerkrankungen in Bothel: Fracking könnte Krebs auslösen

Bremen - Im Dorf Bothel bei Bremen geht die Angst um. „Wir müssen ganz schnell herausfinden, woher die Häufung der Krebsfälle kommt“, fordert Dirk Eberle, der neu gewählte Samtgemeindebürgermeister der 2400 Einwohner zählenden Ortschaft im Landkreis Rotenburg. „Das wird meine erste große Aufgabe sein. Das Land verdient viel Geld mit dem Förderzins, während hier vor Ort Väter und Kinder sterben. Es geht um Leben und Tod.“
Fracking ist ein Verfahren zur Gewinnung von Erdgas aus Gesteinsporen. Bei dem „Hydraulic Fracturing“ wird Gestein in 1000 bis 5000 Metern Tiefe mit hohem hydraulischen Druck aufgebrochen. Dank moderner Bohrtechniken, bei denen erst nach unten und dann im Untergrund quer gebohrt wird, lohnt sich dieses aufwendige Verfahren. Vor allem die USA setzen auf Fracking - auch, um unabhängiger von Erdöl- und Erdgaslieferungen aus dem Ausland zu werden.
In Deutschland gibt es ebenfalls nennenswerte Vorkommen dieser unkonventionellen Erdgas-Lagerstätten. Man findet sie zum Beispiel in Schiefertonformationen, Kohleflözen und dichten Sandsteinformationen.
Um dieses Gas fördern zu können, wird in der Regel ein flüssiges Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst. Dadurch entstehen Risse im Gestein, durch die das Gas entweichen und über Bohrrohre an die Oberfläche gelangen kann. Umweltschützer fürchten durch die Chemikalien eine Verunreinigung des Trinkwassers.
Seit Mitte September sind die Leute in und um Bothel alarmiert: Damals veröffentlichte das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (EKN) seine Untersuchungsergebnisse zur Krebsrate. In Bothel war im Zeitraum von 2003 bis 2012 eine Häufung an Leukämie- und Lymphdrüsenkrebsfällen bei Männern festgestellt worden. Statt der für den Zeitraum zu erwartenden 21 Fälle waren in Bothel 41 Fälle registriert worden. Wenn so viele Menschen erkrankten, gebe es immer einen Grund, so ein Mitarbeiter des Krebsregisters.
Seitdem fürchtet man, es könnte einen Zusammenhang geben zwischen der dortigen Erdgasförderung und den erhöhten Krebsraten. Im Nordwesten wird seit Jahrzehnten intensiv Erdgas gefördert, auch mit einer klassischen konventionellen Fracking-Methode. Im Gegensatz zu der aktuell heftig umstrittenen und mit aggressiveren Chemikalien arbeitenden Fracking-Methode wird im Nordwesten seit Jahren mit Hilfe von Wasser und weniger gefährlichen Chemikalien Gas aus großen Tiefen herausgepresst.
Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hat im vergangenen Sommer zudem an einem in der Nähe gelegenen Förderplatz erhöhte Quecksilberwerte gemessen. Seitdem fürchten Anwohner, Quecksilber und Benzol könnten bei der Erdgasförderung an die Oberfläche oder ins Wasser gelangen.
Nun werden genauere Untersuchungen angemahnt. Befürchtungen, die Erdgasförderung könnte in Zusammenhang mit den erhöhten Erkrankungszahlen stehen, habe es schon seit Längerem gegeben, sagte Andreas Noltemeyer, Ortsbürgermeister in Völkersen und Sprecher der Langwedeler Bürgerinitiative "No Fracking" kürzlich einer Lokalzeitung. „Es hat sich nur keiner getraut, das offen auszusprechen.“
Der Naturschutzbund Nabu hat angeblich sogar noch weit höhere Quecksilberwerte gemessen als das Landesamt für Geologie. Er fordert, jede Ausweitung der Gasförderung durch neue Fördermethoden zu verhindern. „Es ist absolut inakzeptabel und grob fahrlässig, jetzt über die Ausbeutung von unkonventionellen Lagerstätten mit Hilfe der Fracking-Technologie nachzudenken", teilte der Nabu mit.
Auch die niedersächsische Landsregierung ist alarmiert. Sie werde alle Erdgas-Bohrplätze überprüfen lassen und strengere Auflagen durchsetzen, kündigte der grüne Umweltminister Stefan Wenzel an. Im Bundestag waren die Leukämiefälle von Bothel auch schon ein Thema. Auf eine Anfrage antwortete die Bundesregierung allerdings, sie könne gegenwärtig nicht einschätzen, ob die erhöhte Krebsrate in Bothel mit der Erdgasförderung zusammenhänge.