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Leipziger Porsche-Chef  Leipziger Porsche-Chef : Wie Siegfried Bülow vier Vorstandschefs "überlebte"

Von Steffen Höhne 30.06.2017, 08:00
17 Jahre lang führte Siegfried Bülow das Porsche-Werk in Leipzig. Ende Juni geht er in den Ruhestand. Privat fährt er einen Porsche Panamera.
17 Jahre lang führte Siegfried Bülow das Porsche-Werk in Leipzig. Ende Juni geht er in den Ruhestand. Privat fährt er einen Porsche Panamera. Marco Prosch/Porsche

Leipzig - An sein erstes Auto kann sich Siegfried Bülow noch gut erinnern: ein pastellgrüner Trabant-Kombi mit weißem Dach. „Acht Jahre war das Auto alt, als ich es gebraucht gekauft habe.“ Bülow erzählt, dass er den Motor des Wagens mit 26 PS mit einem Freund in einer halben Stunde ausbauen konnte. „Und dabei konnten wir noch zwei Bier trinken.“ Seine Augen blitzen kurzzeitig auf. Für den scheidenden Chef des Porsche Werks Leipzig gibt es im Englischen einen schönen Begriff: „Petrolhead“. Wie man das wird? „Man braucht zunächst mal ein Auto, und zwar nicht irgendeins. Teuer muss nicht, aber alt wäre gut, genauso wie schnell. Die Kombination aus beidem geht natürlich auch. Und dann darf man es nicht einfach zum Fahren von A nach B einsetzen. Man muss es wirklich lieben“, schreibt der Journalist Stefan Anker. Das trifft ganz gut Bülow, der vom Trabi heute beim Panamera mit 420 PS gelandet ist. Der gebürtige Chemnitzer, groß gewachsen mit Bürstenhaarschnitt, hat vor und nach der Wende eine beeindruckende PS-Karriere hingelegt.

Viele Porträts von ihm in Zeitungen tragen die Überschrift von „Barkas zu Porsche“. Nun lassen sich viele Zusammenhänge konstruieren, warum es gerade Bülow geschafft hat, dienstältester Autowerk-Chef Deutschlands zu werden. Der Faktor Glück wird oft unterschlagen. In seinem Berufsleben gibt es aber einige Erlebnisse, die ihn prägten. Daraus entstanden Eigenschaften wie die, sich mit keiner Sache, auch keiner guten, zu sehr gemeinzumachen.

Siegfried Bülow: Auf der Spur des Vaters

Aufgewachsen in Karl-Marx-Stadt lernte Bülow in den volkseigenen Barkas-Werken, in denen bereits sein Vater arbeitete, Werkzeugmacher und hängte ein Fernstudium als Maschinenbau-Ingenieur dran. Beim Transportwagen-Hersteller leitete er mehrere Abteilungen. Zur Arbeit gehörte auch immer, den Mangel zu verwalten und die Beschäftigten bei Laune zu halten. So fehlten beständig Aluminium-Gussteile zur Herstellung der Zweitaktmotoren. War ausreichend Material vorhanden, mussten die Arbeiter zu Sonderschichten motiviert werden. „In der DDR war der Arbeiter das Wichtigste, was es gab im Betrieb. Um den musstest du dich fürsorglich kümmern. Das, was heute moderne Führung ist, haben wir damals schon praktiziert“, sagte Bülow einmal. Als 1989 der Betriebsdirektor von Barkas erkrankt, wird Bülow gefragt, ob er den Job übernimmt. Die DDR befindet sich bereits in Auflösung. „Einer musste Verantwortung übernehmen“, sagt Bülow heute. Doch anstatt endlich mit Engagement in die Marktwirtschaft zu starten, muss der damals 37-Jährige zunächst 2.000 Mitarbeiter entlassen - auch seine damalige Frau und seinen Vater. Im Betrieb schauen viele, ob er sie „verschont“. Diese Entscheidungen tun weh - ernüchterten ihn vielleicht auch.

1991 übernimmt VW das Motorenwerk mit damals 600 Mitarbeitern. Bülow wechselt später ins Stammwerk nach Wolfsburg und ist dort unter anderem für die Produktion des Kleinwagens Lupo zuständig. Ein Ossi an der Spitze von mehreren tausend Wessis. Das funktioniert erstaunlich schnell, erstaunlich gut. „Automobilbau ist Mannschaftssport“ und „das Management ist nur Dienstleister. Die Mitarbeiter schaffen die Werte“ sind Leitsprüche Bülows, die er immer wiederholt. Diese Denke kommt im gewerkschaftlich geprägten VW-Konzern gut an.

Nach eigenen Worten verblüfft ist Bülow gewesen, als ihn 1999 ein Headhunter anruft und fragt, ob er sich für einen namhaften Automobilbauer den Aufbau einer neuen Produktion in Sachsen vorstellen könnte. Bülow kann. Der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking lässt nach einem Werkchef für das Leipziger Werk fahnden. Der 48-jährige Bülow passt perfekt von der Qualifikation. Dass er aus Sachsen stammt, ist eher der i-Punkt fürs Marketing. Als Mitarbeiter Nummer elf stürzt sich Bülow in die Arbeit. „Die ersten 300 Mitarbeiter habe ich alle persönlich ausgewählt“, sagt er. 2002 geht die Produktion des Geländewagens Cayenne in Serie. Für den Sportwagenbauer ist das ein großes Experiment. In Leipzig wird vorerst nur die Montage vorgenommen. Die Hauptkomponenten wie Motoren, Antriebsstrang und Karosserie werden zugeliefert. Bülow, dessen Hemd selten von einer Krawatte zugeschnürt wird, lässt sich ein gläsernes Büro bauen, die Tür steht nicht nur für Führungskräfte offen - sondern für alle. „Wer Anregungen oder Probleme hat, konnte zu mir kommen“, sagt er. Das ist bei 300 Mitarbeiten genauso gewesen wie bei zuletzt . 000. „Natürlich kann das auch anstrengend sein“, sagt Bülow. Doch es habe mehr Vor- als Nachteile. Er sei ein Teamplayer.

„Einige meiner Chefs waren dagegen Alpha-Tiere.“ Das seien Menschen, die machtbewusst agieren. Vier Vorstandschefs habe er überlebt, Bülow lächelt feinsinnig, wie er es manchmal tut. Bei Automobilbauern ist es üblich, dass mit einem neuen Konzernchef auch die nächste Führungsebene ausgetauscht wird. An Bülow hielten aber alle fest. Das lag vorrangig an seiner fachlichen Arbeit, aber wohl auch daran, dass er keine Ambitionen hatte, die Karriereleiter weiter nach oben zu steigen. „Ich hatte meinen Traumjob gefunden.“ Auch ein Angebot eines anderen Autokonzerns schlägt er aus.

Treffen mit Porsche-Enkel Ferdinand Piëch

Im internen Wettbewerb setzt sich Bülow jedoch risikobereit für Leipzig ein: 2010 ist die Produktion des heutigen Erfolgsmodells Macan zu vergeben. Die Vorstände haben mehrere Standorte dafür im Blick. Also lädt der Werkleiter den damaligen VW-Aufsichtsratschef und Porsche-Enkel Ferdinand Piëch nach Leipzig ein und zeigt ihm die Qualitäten des Werks. „Zum Abschied sagte Piëch: Ich werde mich für Leipzig einsetzen“, erzählt Bülow zuletzt einem Journalisten der „Sächsischen Zeitung“. Da habe er gewusst, er hat gewonnen. Leipzig wurde durch den Macan zum Vollwerk mit eigener Lackiererei ausgebaut. Der Kreis schließt sich: Bei Barkas musste er tausende Jobs abbauen, nun half er, tausende zu schaffen.

Rückschläge musste er freilich auch hinnehmen. So soll das Modell Cayenne, mit dem das Werk startete, ab Ende 2018 am VW-Standort im slowakischen Bratislava produziert werden. Als „Petrolhead“ treiben ihn auch andere Entwicklungen um. Gut 70 Prozent aller jemals gebauten Porsche 911 sind heute noch zugelassen. Häufig werden sie als Oldtimer gefahren. „Können die heutigen Modelle mit all ihren elektronischen Bauteilen noch Oldtimer werden“, fragt Bülow. Er hat da Zweifel.

In seiner Garage stehen mit dem 911er Cabrio von 1987 und einem Wartburg 313 (Baujahr 1967) zwei Oldtimer. Den Wartburg hat er selbst mit aufgebaut. Mit den Autos will er an Oldtimer-Rallyes teilnehmen. Vielleicht fährt er mit seiner Frau damit auch zu Auswärtsspielen von RB Leipzig. Seit der 4. Liga verfolgen sie die Spiele des Teams. Als Fan bezeichnet sich Bülow indes nicht. „Ich bin eher ein Sympathisant.“ Übermäßige Anhängerschaft ist nicht seine Sache. Bülow macht lieber sein Ding. Damit ist er bisher gut gefahren. (mz)