Leipziger Gaskonzern VNG Leipziger Gaskonzern VNG: Angst vor Zerschlagung

Leipzig/MZ - Arbeitnehmervertreter und kommunale Anteilseigner warnen vor einer Zerschlagung des Leipziger Gas-Unternehmens Verbundnetz Gas AG (VNG). Die Nachricht, dass die VNG mehrheitlich von dem Oldenburger Energieunternehmen EWE übernommen wird, „hat uns schockiert“, sagte VNG-Betriebsratsvorsitzender Peter Leisebein der MZ. „Sie kam hinsichtlich Zeitpunkt und Absender völlig unerwartet.“
EWE bietet Gespräche an
Der niedersächsische Energieversorger EWE hatte am Freitag bekanntgegeben, dass er seine VNG-Anteile von derzeit 47,9 Prozent auf 63,7 Prozent aufstockt (die MZ berichtete). Möglich wird dies, da die BASF-Tochter Wintershall ihre Anteile verkaufen will. EWE hatte in der Vergangenheit schon mehrfach versucht, die Mehrheit am Leipziger Gas-Konzern zu übernehmen, scheiterte aber am Widerstand der anderen Aktionäre. Neben Wintershall halten zehn ostdeutsche Kommunen 25,79 Prozent und der russische Gasriese Gasprom 10,52 Prozent. EWE-Chef Werner Brinker lässt derzeit offen, was er vorhat. Er wolle mit den „übrigen Aktionären Zukunftsoptionen der VNG diskutieren.“
Eine umgehende Mail des VNG-Betriebsratschefs Leisebein ließ die EWE-Führung bisher unbeantwortet. Nach Ansicht von Leisebein könnten die Konzerne zusammen die Energiewende gestalten. VNG sei ein Gasspezialist, EWE stark im Bereich Stromvertrieb und erneuerbare Energien. „Beide Unternehmen könnten nicht nur erhalten bleiben, sondern sogar wachsen“, so der Arbeitnehmervertreter. Mit der Mehrheitsübernahme wird die EWE gemessen am Umsatz der viertgrößte deutsche Energiekonzern - hinter Eon, RWE und EnBW.
In Leipzig wird derzeit aber auch befürchtet, dass die VNG zerschlagen werden könnte. „Es kann aus unserer Sicht nicht ausgeschlossen werden, dass internationale Finanzinvestoren oder andere Akteure hinter dem EWE-Wintershall-Deal stehen“, sagte Leisebein. In einem solchen Fall wäre eine vorübergehende Erhaltung und die spätere Zerschlagung der VNG- Gruppe die Folge. EWE hätte finanzielle Gewinne, Wintershall bekäme möglicherweise die bisher erfolgreich gewachsene VNG-Tochter VNG Norge mit Gasquellen in Norwegen, und ein Investor würde das Gasnetz übernehmen.
Der Freistaat Sachsen sieht die Mehrheitsübernahme skeptisch. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) teilte bereits am vergangenen Freitag mit: „Die VNG ist das einzige ostdeutsche Unternehmen unter den deutschen Top-100-Konzernen. Ich erwarte eine langfristige Sicherung des Standorts.“
Als Garant dafür sehen sich die kommunalen Anteilseigner, die ihre Anteile in der VUB gebündelt haben. „Sitz der VNG und des Managements muss weiter Leipzig sein“, sagte gestern VUB-Vorsitzender Hans-Joachim Herrmann. Die Kommunen seien weiter der zweitgrößte Aktionär und verfügten über eine sogenannte Sperrminorität. „Wichtige Entscheidungen benötigen unsere Zustimmung“, so Herrmann, der auch Chef der Stadtwerke Wittenberg ist. Man werde das konstruktive Gespräch mit EWE suchen, aber keine Entscheidungen mittragen, die den langfristigen Erhalt des Gasversorgers gefährden könnten.
Geschäftsmodell unter Druck
VNG kauft Gas in Russland, Norwegen und an Börsen ein und verkauft es Stadtwerke, Regionalversorger und Industriebetriebe in vielen Ländern Europas. Zuletzt kaufte das Unternehmen den Versorger Goldgas, um Erdgas auch direkt an private Haushalte zu verkaufen. Energieexperten sehen das Geschäftsmodell allerdings stark unter Druck. Zum einen decken sich Stadtwerke und Unternehmen über Energiebörsen zunehmend selbst mit Gas ein, zum anderen stockt derzeit der Absatz in Deutschland, da sich Gaskraftwerke wegen billigen Windstroms kaum noch rentieren. VNG müsste daher dringend in neue Geschäftsfelder investieren.