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Lebensmittel-Lügen Lebensmittel-Lügen: Die Mär von gesunder Wurst

Von stefan sauer 12.09.2014, 18:35
Mit plakativen Kampagnen prangert Foodwatch die Werbeversprechen der Industrie an.
Mit plakativen Kampagnen prangert Foodwatch die Werbeversprechen der Industrie an. dpa Lizenz

berlin - Gesund und lecker ist eine Kombination, der Kinder normalerweise nicht über den Weg trauen, weil Eltern mit solcher Verheißung meist Salat und Gemüse dem Nachwuchs schmackhaft machen möchten. Da ist Ärger programmiert. Wie gut, dass es eine Lebensmittelindustrie gibt, die sich des Problems annimmt. Mini-Würstchen, die „einen täglichen Beitrag zur gesunden Ernährung“ leisten, hat zum Beispiel die Firma Stockmeyer im Angebot. Zwar besteht das Produkt hauptsächlich aus Fleisch, Fett und Salz, allerdings enthält „Ferdi Fuchs für groß und klein“ auch die zugesetzten Vitamine B und E sowie Calcium. Das reicht aus, um die Würstchen in den Adelstand zu erheben.

Ähnlich verfahren Süßwarenhersteller. Auch sie fügen ihren Mixturen aus Zucker, Fett und Kohlehydraten Mineralien und Vitamine zu, um für den Verzehr mit gesundheitszuträglichen Effekten werben zu können. Dabei handeln die Unternehmen vollkommen legal.

Werben mit zugesetzten Vitaminen

Die EU hat zwar bereits 2012 das Werben mit diffusen Gesundheitsversprechen untersagt. Für zugesetzte Vitamine gilt dies aber nicht. Im Prinzip könne jedes beliebige Lebensmittel auf diese Weise als „Beitrag zur gesunden Ernährung“ vermarktet werden, sagt Lebensmittelexperte Oliver Huizinga von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Und das ist nicht alles, was das aktuelle Lebensmittelkennzeichnungsrecht noch immer zulässt.

Auch mit Bezeichnungen wie „aus unserer Heimat“ oder „aus der Region“ wird mangels klarer gesetzlicher Regelungen der Verbraucher oft hinters Licht geführt.

Ein Beispiel unter vielen: Bio-Apfelsaft mit dem schönen Namen „Unser Norden“ enthält auch Äpfel aus dem Süden. Wenig belastbar ist auch der Hinweis „ohne Geschmacksverstärker“. Damit nämlich ist Glutamat und Co. nur als Zusatz ausgeschlossen, nicht aber als Inhaltsstoff oder Zutat. Hefeextrakt zum Beispiel enthält beträchtliche Mengen geschmacksverstärkender Substanzen, die aber als Zutat gelten und daher dem Aufdruck „Ohne Geschmacksverstärker“ nicht entgegenstehen.

„Systematische Irreführung“

Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode spricht von „systematischer Irreführung“. Eine bewusste Kaufentscheidung setze umfassend informierte Kunden voraus. „Aber dies verhindert die Lebensmittelindustrie. Der mündige Verbraucher, von dem die Hersteller so gern sprechen, ist ein Trugbild.“

Das sehen die meisten Verbraucher offenbar auch so. In einer Emnid-Umfrage im Auftrag von Foodwatch gab nur ein gutes Drittel der Befragten an, den Herstellerangaben zu vertrauen. Neun von zehn Befragten wünschten sich Informationen über die Herkunft der Zutaten, vom Obst in der Marmelade bis zum Hackfleisch auf der Tiefkühlpizza, und zwar in gut lesbarerer Schrift. Die neue, von Dezember an wirksame EU-Kennzeichnungsregelung bringt diesbezüglich keinen Fortschritt.

Herkunftsangaben für Zutaten sind nicht vorgesehen, der Schmuh mit Vitaminzusätzen und Aromastoffen bleibt legal, und die Schriftgröße für Infos auf den Verpackungen, die eigentlich auf drei Millimeter angehoben werden sollte, wurde auf Druck der Lebensmittelindustrie im letzten Moment auf 1,2 Millimeter festgesetzt. Begründung: Drei Millimeter ließen nicht genug Raum für den „Markenauftritt“. Es sei denn, die Verpackungen würden vergrößert, was aber mehr Müll erzeuge. Das wolle nun wirklich keiner. (mz)