Lebenslange Garantie Lebenslange Garantie: Warum Ikea künftig alles zurücknimmt

Berlin - Möbelhäuser, Küchenausstatter und Baumärkte sehen sich mit dem Angebot eines Konkurrenten konfrontiert, das es so in Deutschland bisher nicht gab. Es geht um die Offerte der schwedischen Möbelhauskette Ikea, alle nach dem 24. August 2014 gekauften Artikel ohne Zeitbegrenzung zurückzunehmen und den Kaufpreis in voller Höhe zu erstatten. Gemünzt ist das Angebot nicht nur auf neue, original verpackte Waren, sondern auch für bereits benutzte und im Zweifel bereits Jahre alte Ikea-Produkte. Experten gehen davon aus, dass das Konzept die Branche nachhaltig verändern wird.
Wo bleibt der Gewinn?
Aber was heißt schon „Konzept“. Die rückhaltlose Geld-Zurück-Garantie scheint betriebswirtschaftlich doch ziemlich verwegen, um nicht zu sagen: total irrsinnig. Schließlich lebt ein Möbelhaus doch davon, dass das alte Sofa irgendwann auf dem Sperrmüll landet und dafür ein Neues angeschafft wird. Wenn aber für das betagte Sitzmöbel der Kaufpreis zurück an den Kunden fließt, wo bleibt dann der Gewinn? Was bezweckt Ikea mit der zeitlich unbegrenzten Offerte?
Sebastian Deppe, Geschäftsführungsmitglied der auf den Einzelhandel spezialisierten BBE Handelsberatung in München, ist sicher, dass sich die Schweden sehr genau überlegt haben, was sie da tun. Deppe erklärt das Konzept so: Ikea unterbreitet der Kundschaft zunächst einmal ein bisher einmaliges und außerordentlich attraktives Service-Angebot. Rücknahme von allem auf ewig - einfacher geht’s nicht. Der Werbeeffekt einer solchen Offerte ist kaum zu überschätzen. Also werden noch mehr Menschen in die Ikea-Häuser strömen.
Spontanere Einkäufe
Und sie werden kaufen wie nie. Von jeher haben es die Schweden geschickt verstanden, die Menschen zum Erwerb von Dingen zu animieren, die nicht auf dem Einkaufzettel standen: Untersetzer, Wassergläser, Übertöpfe, Regenschirmständer, Teelichter, Topflappen. Die Ikea-Häuser sind so aufgebaut, dass Kunden auf dem Weg zur Kasse solcherlei Angeboten kaum ausweichen können. Bisher beschränken sich Spontankäufe in der Regel allerdings auf preiswerte Artikel. Eine Schrankwand für Wohnzimmer nimmt man nicht mal „eben so“ mit.
Wenn der Kunde aber weiß, dass er selbst ganze Einbauküchen nach Benutzung wieder zurückgeben kann, wird viel spontaner und risikobereiter eingekauft. Und genau darauf, so Deppe, spekuliert Ikea: Zweifel, ob das Sideboard farblich zum Bücherregal passt, verblassen, wenn die Rücknahme garantiert ist. Der Traum vom risikolosen Kauf hochpreisiger Artikel scheint wahr zu werden. Erfahrungsgemäß spielt für die Entscheidung, ob das Möbel am Ende tatsächlich zurück gegeben wird, die Bequemlichkeit eine zentrale Rolle: Selbst wenn der Bücherschrank nur zu 90 Prozent der Vorstellungen entspricht, stellt sich die Frage, ob der Aufwand lohnt, ihn wieder abzubauen, zurück zu karren und einen neuen zu holen. Das Möbelhaus rechnet also mit einer deutlich höheren Bereitschaft der Kunden, auch teurere Artikel einfach mal mitzunehmen, bei gleichzeitig geringer Neigung, allzu viel Aufwand für die Rückgabe zu treiben.
Ein weiteres Motiv für das Ikea-Angebot sind veränderte Kundenerwartungen: Bei Online-Geschäften ist die unkomplizierte Waren-Rücknahme von jeher eine Selbstverständlichkeit, Textilen können auch ausgepackt, anprobiert (oder gar mehrfach getragen) noch zurück geschickt werden. Dieses kundenfreundliche Angebot des Online-Handels übertrifft Ikea nun bei weitem.