Lauchstädter Heil- und Mineralbrunnen Lauchstädter Heil- und Mineralbrunnen: Niedergang eines Traditionsunternehmens

Halle (Saale) /Bad Lauchstädt - Der Auftritt des angeklagten Ex-Managers des inzwischen pleitegegangen Lauchstädter Heil- und Mineralbrunnens ist ein Sinnbild für den Niedergang des Traditionsunternehmens aus dem einst prächtigen Kurstädtchen Bad Lauchstädt (Saalekreis): Mit einiger Verspätung betrat Andreas M. gestern mit seinem Anwalt den Saal des Amtsgerichtes Halle, vor dem er sich wegen Insolvenzverschleppung zu verantworten hatte. Denn schon im Jahr 2011 hat er laut Anklage zu spät beziehungsweise gar nicht gehandelt - obwohl für ihn längst hätte klar sein müssen, dass für das Unternehmen und die verbliebenen 29 Mitarbeiter keine Hoffnung mehr bestand.
Auch noch Jahre nach der Pleite des mittelständischen Traditionsunternehmens lief der Lauchstädter Heilbrunnen nach wie vor, wenn auch deutlich reduziert. Aus 80 Metern Tiefe wurde das Wasser nach oben gepumpt, aber nicht mehr abgefüllt. Der Heilbrunnen speiste mit seinem Wasser das Flüsschen Laucha. In der Hoffnung auf einen Investor und die Wiederaufnahme der Getränkeherstellung sollte der Mineraliengehalt im Wasser so konstant gehalten werden, wie es die Zulassung als Arzneimittel vorsieht. Wie jetzt bekannt wurde, ist die Quelle seit einem Jahr versiegt.
„Eine gerechte Strafe“, forderte daher vor dem Prozess der ehemalige Produktionsleiter Bernd Werner. Er und seine 28 Kollegen hatten bis zuletzt gehofft, dass es trotz enormer wirtschaftlicher Schwierigkeiten irgendwie weitergehen werde. Nicht nur damals wurde ihre Hoffnung enttäuscht.
Ein Schlag ins Gesicht
Auch das gestern gesprochene Urteil dürfte für Werner und die übrigen Ex-Mitarbeiter ein Schlag ins Gesicht sein: Gegen Zahlung einer Geldauflage von 400 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung wurde der Prozess gegen M. eingestellt. Angesichts zahlreicher Eigentums- und Geschäftsführerwechsel in der besonders kritischen Phase konnte ihm nicht nachgewiesen werden, dass er in der Verantwortung gestanden hat. Eine umfassendere Beweisaufnahme hielt das Gericht für unverhältnismäßig.
29 Jahre lang war Produktionsleiter Werner dafür verantwortlich, dass an den Fließbändern des 1905 gegründeten Unternehmens alles rund lief. Während er stets die Kontrolle behielt, zog in die Chefetage mit den regelmäßig wechselnden Gesellschaftern in den letzten Jahren immer mehr Chaos ein. Doch wie konnte es überhaupt soweit kommen?
Discounter als Konkurrenten
Nach der Wende ging der Betrieb in Familienhand über, wollte sich mit den Marken Lauchstädter Heilbrunnen und Schillerbrunnen in einer Nische behaupten - als Nummer eins der Heilbrunnen im Osten. Mehrere Millionen Euro wurden investiert. Der Strukturwandel in der Mineralwasser-Branche ab Mitte der 90er Jahre traf das Unternehmen aber hart. Vor allem die Discounter setzten auf Billigwasser. In der Folge sackte der Absatz bei Lauchstädter von 20 auf 15 Millionen abgefüllten Flaschen im Jahr 2007 ab. Der Betrieb rutschte in die roten Zahlen. Wie die damalige Buchhalterin vor Gericht erklärte, konnten selbst die Personalkosten kaum noch erwirtschaftet werden.
Mit einem neuen Geschäftsführer wollte der Betrieb noch einmal durchstarten - vergeblich. Im Juli 2009 wurde der Brunnen für einen Euro verkauft. Die neue Besitzerin, eine schweizerische Holding, begab sich mehr oder weniger intensiv auf die Suche nach einem Investor und verschloss vor der immer prekäreren Lage des Unternehmens die Augen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle wegen Insolvenzverschleppung kamen ins Rollen.
Schuldenberg von rund 1,8 Millionen
„Noch heute ist man uns mehrere Monatsgehälter schuldig“, erzählt Ex-Produktionsleiter Werner. Nur dank seiner Rücklagen für das Alter kam er einigermaßen über die Runden, ist inzwischen Rentner. Doch nicht nur die Löhne, auch Steuern, Krankenversicherungsbeiträge und Darlehensraten konnte das Unternehmen nicht mehr zahlen. Bis zum Frühjahr 2011 wuchs der Schuldenberg auf rund 1,8 Millionen Euro an.
Die immer wieder neuen Hiobsbotschaften und Wasserstandsmeldungen zur Zukunft des Traditionsunternehmens beschäftigten nicht nur die Angestellten: Eine ganze Stadt fürchtete den Verlust ihres größten privaten Arbeitgebers. „Ich kann mich noch gut erinnern wie Reiner Haseloff damals als Wirtschaftsminister im Gasthof mit Mitarbeitern und Gewerkschaftsvertretern verzweifelt nach Lösungen suchte, um den Brunnen zu retten“, sagt Bad Lauchstädts Bürgermeisterin Ilse Niewiadoma (FDP). Für ihre Stadt war der Heilbrunnen nicht nur eine Steuerquelle, sondern auch ein wichtiges Stück Geschichte. Durch Zufall hatte der hallesche Professor Friedrich Hoffmann im 17. Jahrhundert die Heilwirkung des Wasser entdeckt. Daraus entwickelte sich ein prosperierender Kurbetrieb für den Adel, der Lauchstädt einen gewaltigen Aufschwung brachte.
Kurklinik soll kommen
Seit der Pleite des Heilbrunnens steht die Produktionsstätte leer. Doch vielleicht nicht mehr lange. Noch in diesem Jahr, so hoffen es Bürgermeisterin Niewiadoma und auch Bernd Werner, soll der Spatenstich für eine Art Kurklinik für Burnout-Patienten erfolgen. „Ich bin froh, wenn dort etwas passiert“, sagt Werner. „Hauptsache, es wird nicht wieder eine Invest-Ruine.“ (mz)
