Gegen den Trend Landwirtschaft: In Sachsen-Anhalt steigt die Zahl der Bauernhöfe

Halle (Saale) - In Deutschland nimmt die Zahl der Bauernhöfe von Jahr zu Jahr ab. Die Umweltschutzorganisation BUND und die Heinrich-Böll-Stiftung haben in ihrem aktuellen „Agrar-Atlas“ noch einmal regionale Zahlen vorgelegt. Das Höfesterben findet demnach vor allem in den alten Bundesländern statt. In Sachsen-Anhalt gab es seit 2010 sogar einen Zuwachs von fünf Prozent beziehungsweise 210 Betrieben. Sind die oftmals gescholtenen großen Agrarbetriebe im Osten besser als ihr Ruf?
Zunächst ist festzuhalten, dass die Agrarstruktur sehr unterschiedlich ist. Die Durchschnittsgröße im Osten beträgt 224 Hektar je Betrieb, im Westen sind es 45 Hektar. „In den alten Bundesländern existieren grundlegende agrarstrukturelle Probleme mit einer Vielzahl von landwirtschaftlichen Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben, die zum einen infolge der dortigen Flächenknappheit in scharfem Wettbewerb um Flächen stehen und die zugleich oft mit veralteten Technologien wirtschaften“, sagt Agrarexperte Alfons Balmann, Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle. Infolge dieser Konkurrenzsituation würden jährlich etwa drei Prozent der Betriebe ausscheiden. Häufig würden Landwirte im Nebenerwerb ihre Flächen an andere Betriebe abgeben.
Zuwachs an Bauernhöfen - Betriebe werden aufgespalten
Die Unternehmen in Sachsen-Anhalt sind laut Balmann im Bundesschnitt am rentabelsten. „Preis- oder Ertragsschwankungen führen daher zumeist lediglich kurzzeitig zu Unternehmenskrisen“, so der Agrarökonom. „Ein Höfesterben gibt es in Sachsen-Anhalt nicht“, sagt auch Marcus Rothbart, Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes.
Das Plus der Betriebszahlen führt er auf kleinere Neugründungen, vor allem aber auf Ausgründungen von Unternehmen aus größeren Agrargenossenschaften und GmbHs zurück. „Aus einem Betrieb werden mitunter zwei oder drei“, so Rothbart.
Die wirtschaftliche Lage der hiesigen Betriebe beschreibt er als „ziemlich angespannt“. Milchpreiskrise, niedrige Schweinefleischpreise und Dürre hätten ihre Spuren in den Bilanzen hinterlassen. Laut Rothbart würden Betriebe, die in der Krise stecken, zumeist verkauft. Nach Angaben von Balmann profitieren hiesige Höfe von Wertsteigerungen „des zumeist günstig erworbenen Bodens“. Insolvenzen gebe es im ostdeutschen Agrarsektor kaum.
Agrarsubventionen: Zahlung nach Bedürftigkeit?
Die Grünen-nahe Böll-Stiftung und der BUND fordern angesichts dessen eine grundlegende Reform der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen. „Ein Prozent der Betriebe bekommt 20 Prozent der Gelder“, sagte Christine Chemnitz, Agrarexpertin der Böll-Stiftung. Große Betriebe würden stark profitieren. „Pauschale Flächenprämien sind ungerecht und unökologisch.“
Bauernvertreter Rothbart warnt vor einer Verschiebung der Mittel: „Die Flächenprämien sind für unsere Betriebe überlebenswichtig.“ Derzeit erhalten die Landwirte rund 280 Euro pro Hektar im Jahr. „Die Kosten durch Umweltschutzauflagen liegen jedoch weit höher“, so Rothbart. Die EU-Mittel seien somit Ausgleichszahlungen, die größere und kleinere Betriebe gleichermaßen benötigen.
Wissenschaft: Landwirte müssen unabhängig von Subventionen werden
Etwas anders sieht das Wissenschaftler Balmann: „Die Flächenprämien werden zunehmend an Bodeneigentümer durchgereicht und schaffen keinen gesellschaftlichen Nutzen.“ Die Herausforderung bestehe jedoch darin, die Abhängigkeit der Landwirtschaft von diesen Zahlungen abzubauen.
Nichts hält Balmann von dem Vorschlag, die Subventionen an die Größe des Betriebes oder Bedürftigkeit zu koppeln: „Das schafft nur neue Abhängigkeiten. Zudem ist Bedürftigkeit in der Landwirtschaft schwer zu fassen. So sind selbst die Inhaber vieler unrentabler Betriebe vergleichsweise vermögend.“ Besondere Gründe für höhere Zahlungen sieht Balmann dann gegeben, wenn in Mittelgebirgsregionen oder an ungünstigen Standorten eine Flächenbewirtschaftung aufrechterhalten werden soll. Solche Gründe könnten im Landschafts- oder Biodiversitätserhalt liegen.
(mz)