Krankenhausstatistik Krankenhausstatistik: Die Ökonomie der Operationsfabriken

Berlin - Es gibt einen bösen Spruch, der in der Gesundheitsszene kursiert. Früher, so heißt es da, sei ein Krankenhausaufenthalt Freiheitsberaubung gewesen. Heute bedeute er Körperverletzung. Das zielt darauf ab, dass die Patienten immer kürzer in den Klinik bleiben. Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahre 2013 bestätigen diesen seit Jahren anhaltenden Trend.
Nach der neusten Krankenhausstatistik des Bundesamtes, die am Freitag veröffentlich wurde, sank die durchschnittliche Verweildauer von 7,6 Tagen im Jahre 2012 auf nunmehr 7,5 Tage. Das ist für sich genommen nur eine marginale Änderung, aber es kommt auf die langfristige Entwicklung an: 1991 lagen die Patienten im Schnitt 14 Tage im Krankenhaus. Die Aufenthaltsdauer hat sich also fast halbiert.
Wie kommt das? Früher bekamen die Kliniken für jeden Tag Geld, den der Patient blieb. Daher wurden Kranke selbst bei planmäßigen Operationen freitags eingewiesen, obwohl am Wochenende ohnehin nicht operiert wurde. Das ist heute anders: Die Kliniken erhalten je nach Diagnose und Schweregrad pauschal eine bestimmte Summe für die Behandlung. Je früher der Patient nach Hause geht, umso lohnender für die Klinik. Lange Liegezeiten schmälern dagegen den Gewinn. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer „blutigen Entlassung“, weil sie in bestimmten Fällen den Klinikaufenthalt für zu kurz halten.
Zahl der Patienten steigt
Es gibt einen zweiten langfristigen Trend, der nun ebenfalls bestätigt wird: Die Zahl der Patienten steigt. Wurden 2012 noch 18,6 Millionen Kranke in einer Klinik behandelt, waren es 2013 rund 18,8 Millionen. Das ist ein Plus von 0,9 Prozent. Auch hier die langfristige Vergleich: 1991 waren es erst 14,5 Millionen. Die gegenläufigen Trends - mehr, aber dafür deutlich kürzere Behandlungen - führen unterm Strich dazu, dass die Deutschen insgesamt immer weniger Zeit im Krankenhaus verbringen.
Die Gesamtzahl der Krankenhaustage sank seit 1991 um rund ein Drittel. Das sorgte auch dafür, dass sich die Auslastung der Krankenhäuser verringerte, obwohl die Zahl der Kliniken und die der Betten seit Anfang der 90er-Jahre kontinuierlich abgenommen hat. Gab es 1991 mit 2411 Kliniken noch einen Auslastungsgrad von 84 Prozent, sank er im Vorjahr mit 1995 Häusern auf nur noch 77,4 Prozent.
Krankenhäuser werden zu Operationsfabriken
Die Zahlen zeigen zweierlei. Das Fallpauschalensystem hat das Ziel seiner Erfinder - es war die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder - aus ökonomischer Sicht erfüllt. Die Zahl der Krankenhaustage ist kräftig gesunken, Überkapazitäten werden abgebaut und es besteht Druck, dies weiterhin zu tun. Bei diesem gesamten Prozess ist allerdings einer aus dem Blickfeld geraten: Der Patient.
Abgesehen davon, dass das Fallpauschalensystem tendenziell dazu führt, dass in Deutschland zu viel operiert wird, scheint die Verkürzung der Liegezeit an einem kritischen Punkt anzulangen. Die Krankenhäuser werden immer mehr zu Operationsfabriken, in denen ein möglichst hoher und schneller „Patientenumsatz“ angestrebt wird. Angesichts der immer älter werdenden Gesellschaft und des damit verbundenen höheren Betreuungsaufwandes für den einzelnen Patienten muss hinterfragt werden, ob diese Entwicklung weiter zumutbar ist.