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Kommentar zum Air-Berlin-Deal Kommentar zum Air-Berlin-Deal: Die Intervention der Regierung hat nichts gebracht

Von Frank-Thomas Wenzel 28.10.2017, 06:41

Zum Schluss kursieren im Netz in rauen Mengen Fotos mit zerbrochenen Schokoherzen in rotem Stanniolpapier. Die Süßigkeiten gab es immer beim Aussteigen aus den Air-Berlin-Maschinen. Damit ist es vorbei. Die Lufthansa übernimmt einen Großteil der Flotte nebst Crews. Zumindest ein Teilerfolg in einer schweren Situation? So dürften es zumindest Mitglieder der alten Bundesregierung sehen. Die Politik hatte zwei Motive. Erstens Arbeitsplätze erhalten und zweitens einen „nationalen Champion“ zu schaffen. Was kam dabei heraus? Das Kalkül der Lufthansa geht auf. Deutschlands größte Airline kann sich so auf beinah ideale Weise Maschinen und Flugstrecken der Air Berlin heraussuchen, die sie passgenau in die Billigfliegersparte Eurowings integrieren und so auf geschmeidige Art und Weise die dringend notwendige Expansion des Low-Cost-Segments vorantreiben kann.

Das wird flankiert durch die Regierung, die sich bei der EU-Kommission ins Zeug legt, damit die Auflagen der Wettbewerbshüter möglichst milde ausfallen. Läuft es günstig für die Lufthansa, muss sie symbolisch ein paar Strecken abgeben. Konzernchef Carsten Spohr könnte sich dann mit Recht für eine strategische Meisterleistung beglückwünschen lassen.

Ticketpreise werden steigen

Aber hat sich der Deal für die Politik gelohnt? Wohl kaum. Die Lufthansa kann ihre Dominanz bei innerdeutschen Flügen ausbauen und bei einer Reihe europäischer Verbindungen die Marktanteile stärken und damit langfristig ihre Finanzkraft stärken. Doch die Fluggäste zahlen dafür schon bald in Form steigender Ticketpreise.

Die zukünftige Entwicklung bei den Arbeitsplätzen rechtfertigt indes keinesfalls die Intervention der Regierung. Die 3000 Jobs, die die Lufthansa jetzt übernimmt, wären mit großer Wahrscheinlichkeit in dieser Größenordnung erhalten geblieben, wenn eine andere Airline den Zuschlag bekommen hätte – Easyjet zum Beispiel oder Wizz Air oder die Billigflugsparten des Air France-KLM-Konzerns oder der British-Airways-Mutter IAG oder vielleicht auch Ryanair. Eine solche Bereicherung des Wettbewerbs im Vergleich zu den guten alten Air-Berlin-Zeiten hätte sich für die Kunden in Form dauerhaft preiswerter Tickets ausgezahlt.

Wie aber kommen solche Fehlentscheidungen der Politik zustande? Da spielt Irrationales eine Rolle, nämlich die Illusion, dass nationale Champions nationale Prosperität bringen. Das passt aber längst nicht mehr zu einer Ökonomie, die sich im europäischen Binnenmarkt organisiert. Ein anderer Punkt ist die Hoffnung, dass die Lufthansa besonders wohlwollend mit den Beschäftigten umgeht. Doch da hat Spohr ganz unsentimental und herzlos reagiert. Die von Politikern geforderte finanzielle Beteiligung an einer Air-Berlin-Auffanggesellschaft hat er strikt abgelehnt – schließlich würde er damit den Ertrag seines Super-Deals ohne Not mindern.

Einmischen an den richtigen Stellen

Die Schlussfolgerung aus all dem lautet aber nicht, dass sich der Staat in neoliberaler Manier aus der Wirtschaft heraushalten soll. Er muss sich sogar noch viel mehr einmischen. Aber dabei an den richtigen Stellen ansetzen und Bedingungen für einen fairen Wettbewerb schaffen. Im Fall von Air Berlin heißt das: Alle europäischen Airlines hätten die gleichen Chancen bekommen müssen, lukrative Air-Berlin-Strecken zu erhalten. Mindestens genauso wichtig ist, dass für alle die gleichen Regeln für eine faire Bezahlung der Beschäftigten gelten, denn das ist ein maßgeblicher Faktor in der Branche. Die Politiker in der EU haben viel zu lange laxe Bestimmungen in einzelnen Staaten wie Irland zugelassen, und sie haben zugelassen wie etwa Ryanair die Grauzonen der Regelwerke konsequent ausgenutzt hat, um Scheinselbstständige in großer Zahl zu beschäftigen. Hier liegt eine enorm wichtige Aufgabe, um gravierende Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen.