Kommentar zu Strafzöllen Kommentar zu Strafzöllen: Trumps Protektionismus könnte den USA am meisten schaden

Wer in diesem Moment in Köln oder auf den Malediven einen Zahnarzt im Internet sucht, greift mit einer Wahrscheinlichkeit von neun zu eins auf das Imperium des Quasi-Monopolisten Google zurück. Handy-Gigant Apple fährt in einem Quartal einen Gewinn von über 20 Milliarden Dollar ein. Die vor Kraft strotzenden Banken an der Wall Street schauen verächtlich auf die so genannten Konkurrenten in Frankfurt herab. Die fünf wertvollsten Konzerne der Welt stammen alle aus einem Land – den Vereinigten Staaten von Amerika.
Trump jammert, poltert, schimpft – und handelt
Und was macht der Präsident dieser glücklichen Nation, die spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts die Regeln der Weltwirtschaft bestimmt, die mit ihrem Dollar die internationalen Finanzmärkte dominiert und der es gelungen ist, ihre technologische und ökonomische Führungsrolle auch im 21. Jahrhundert zu verteidigen? Der Präsident dieser mächtigen, starken, reichen Nation klagt und jammert, er poltert und schimpft. Und er handelt.
Donald Trump macht ernst mit den Zöllen auf Stahl und Aluminium aus Europa. Und riskiert so, einen bedrohlichen Handelskonflikt in einen gefährlichen Wirtschaftskrieg zu verwandeln - mit unabsehbaren Folgen für unseren Wohlstand und für die Arbeitsplätze in Detroit und Los Angeles, in Madrid und München. Immerhin geht es diesmal nicht um Atomwaffen und die Existenz der Menschheit oder um Krieg oder Frieden im Nahen Osten, könnte man sagen. Aber Donald Trump richtet in der Wirtschaft den maximalen Schaden an, den eine einzelne Person auslösen kann.
Bei dieser Ausgangslage ist es umso erstaunlicher und befremdlicher, dass Europa um eine geschlossene Reaktion ringt. Über das Ziel immerhin sind sich fast alle einig: Irgendwie muss es die Union hinbekommen, den Schaden durch dieses wandelnde Pulverfass einzudämmen. Da hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Die Deutschen mit ihrer wettbewerbsfähigen Exportindustrie drängen mit aller Kraft auf Mäßigung. In jüngster Zeit lassen Kanzlerin Angela Merkel oder Wirtschaftsminister Peter Altmaier ihren Trump-Frust auch schon einmal etwas klarer heraus. Offenbar merken sie, dass mit Sachlichkeit und Argumenten, mit Nüchternheit und Fakten in diesem Fall wenig zu erreichen ist.
Deutschland setzt unverändert auf Beschwichtigung
Aber die deutsche Wirtschaft und die deutsche Politik setzen dennoch unverändert auf Beschwichtigung. In anderen EU-Nationen fällt es leichter, die Muskeln spielen zu lassen und den Wunsch des Publikums nach einer kraftvollen, harten Reaktion zu erfüllen. Wer wie Frankreich oder Italien ohnehin auf dem US-Automarkt wenig zu verlieren hat, kann sich schärfere Töne und Aktionen Richtung Washington leisten.
Dennoch spricht viel für die Strategie der Bundesregierung, kühlen Kopf zu bewahren. Am Ende wird Trump sich in seiner Zerstörungswut ohnehin nicht bremsen lassen, weder durch deutsche Beschwichtigungsversuche noch durch Kraftmeierei aus Brüssel oder Paris. Daher kommt es darauf an, sich nicht noch selbst an Ramboaktionen zu beteiligen. Die Zölle auf Stahl und Aluminium treffen in erster Linie die USA selbst, da die dortigen Verarbeiter mehr Geld für ihre importierten Vorprodukte zahlen müssen.
Ihre Branche ist aber wesentlich bedeutender als die der Stahl- und Aluproduzenten, gegen die sich die Abwehrmaßnahmen richten. Solch willkürliche Eingriffe in den Handel richten sich stets auch und vor allem gegen den Verursacher. Die Protektionisten leiden fast immer am meisten selbst unter ihren eigenen Missetaten. Auf dieses irre Spiel sollte sich die EU nicht einlassen.
Am besten erklärt man den Wahn mit Trumps Ego
Über die Motive Trumps lässt sich endlos rätseln. Will er die globale Handelsordnung und die Welthandelsorganisation WTO schwächen oder wütet er gegen Deutschland, dessen Überschüsse die Stabilität bedrohen? Oder richtet sich der Zorn in erster Linie gegen China, das zum ernsten Rivalen für die USA aufsteigt? All diese möglichen Deutungsmuster enthalten Wahres, führen aber nicht weiter. Am besten erklärt man den Wahn ganz einfach mit dem Ego des Mannes im Weißen Hauses. Er giert nach Beifall und in dieser konkreten Angelegenheit nach der Unterstützung seiner Wähler in den abgehängten Industrieregionen der Vereinigten Staaten. Dass er den Arbeitern in diesen Fabriken mit Zöllen schadet, weil er für die Firmen die Importe verteuert, spielt keine Rolle, solange die Menschen dort ihm zujubeln.
Die EU kann nicht verhindern, dass in der Ära von Donald Trump die Weltwirtschaftsordnung in rivalisierende Blöcke zerfällt. Gemeinsamkeiten in einer globalisierten Wirtschaft – das war gestern. Gerade für Deutschland sind das keine erfreulichen Aussichten. Es geht jetzt aber nur noch darum, den Schaden einzugrenzen. Die EU muss ihre Interessen durch eigene, bilaterale Abkommen wie mit Japan, Südkorea oder den lateinamerikanischen Ländern und durch Kooperation mit China, Indien und anderen Schwellenländern sichern. Das ist die eigentliche Aufgabe und wichtiger als fruchtlose Taktik-Debatten über Härte oder Nachgiebigkeit.