Kohleausstieg Kohleausstieg: Droht dem Kohlekraftwerk Schkopau schon früher das Aus?

Halle(Saale)/Berlin - Fünf Stunden hat das Treffen am späten Sonntagabend im Kanzleramt gedauert: Am Tisch saßen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und die Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts und Sachsens, Reiner Haseloff und Michael Kretschmer.
Von einem Krisentreffen der vier CDU-Spitzenpolitiker war zwar nicht die Rede, doch beim Kohleausstieg droht zwischen der Bundesregierung und den beiden Ost-Kohleländern ein tiefes Zerwürfnis. Haseloff warnte vor allem Altmaier davor, das Braunkohle-Kraftwerk Schkopau (Saalekreis) früher als geplant abzuschalten.
Bereits Ende Dezember sagte Haseloff der MZ: „Grundsätzlich geht es in Ostdeutschland darum, erst den Strukturwandel zu beginnen und neue Arbeitsplätze zu schaffen, bevor in den Braunkohleregionen Kraftwerke stillgelegt werden.Alles andere wäre Vertrauensbruch gegenüber den Bürgern.“
Kraftwerk Schkopau könnte 2026 vom Netz gehen
In dieser Woche dürfte die Entscheidung fallen: Am Dienstag trifft sich Altmaier mit Vertretern der Energiekonzerne, am Mittwoch kommen bei Merkel die Ministerpräsidenten aller Kohleländer zusammen, darunter Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet (CDU). Es soll entschieden werden, wann welche Kraftwerke vom Netz gehen.
Am 22. oder 26. Januar soll das Bundeskabinett das Kohleausstiegsgesetz dann beschließen. Wie die Gespräche ausgehen, ist offen. Ein Beteiligter, der nicht namentlich genannt werden will, sagt jedoch: „Haseloff hat nicht die besten Karten.“
Wie konnte sich die Lage so zuspitzen? Vor einem Jahr legte die Kohlekommission ihren Abschlussbericht vor. Über alle Parteigrenzen hinweg wurde ein Braunkohle-Ausstiegsdatum im Jahr 2038 festgelegt. Zunächst sollen ältere Kraftwerke in den alten Bundesländer abgeschaltet werden, später die in den 90er und 2000er Jahren errichteten oder modernisierten Kraftwerke in Ostdeutschland.
Nicht in der Rechnung drin war das neu gebaute Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen. Der Betreiber Uniper will die milliardenteure Anlage mit einer Leistung von 1.100 Megawatt unbedingt noch ans Netz bringen. Als Ausgleich will Uniper das Kraftwerk Schkopau mit einer Leistung von 900 Megawatt bereits 2026 - nicht erst 2035 - schließen und durch ein modernes Gaskraftwerk ersetzen.
Haseloff sieht 2.000 Arbeitsplätze in Gefahr
Die Planungen für das Gaskraftwerk laufen nach MZ-Informationen bereits. Das mitteldeutsche Kraftwerk liefert nicht nur Strom für die öffentliche Versorgung, sondern auch Energie für das benachbarte Chemiewerk und für die Deutsche Bahn.
Sachsen-Anhalts Regierungschef Haseloff will die vorzeitige Abschaltung unter allen Umständen verhindern. Denn am Kraftwerk hängt der Kohleförderer Mibrag aus Zeitz (Burgenlandkreis), der aus dem Tagebau Profen jährlich acht Millionen Tonnen Braunkohle nach Schkopau liefert. Haseloff sieht 2.000 Arbeitsplätze gefährdet.
Der Weißenfelser SPD-Landtagsabgeordnete Rüdiger Erben sagte am Montag: „Wenn die CDU-Politiker Altmaier und Laschet mit diesem Deal durchkommen, dann ist das der Todesstoß für den Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier.“
Denn bis 2026 dürfte es schwer werden, ausreichend neue Industrie-Arbeitsplätze zu schaffen. Zudem ist offen, wer dann die Renaturierung des Tagebaus Profen bezahlt. Die Mibrag wollte bis 2035 dafür Geld ansparen.
In Nordrhein-Westfalen kann man die Ablehnung Haseloffs nicht nachvollziehen. Bis 2026 werden in dem Bundesland zahlreiche Kohle-Kraftwerke stillgelegt. Laut Medienberichten soll sich der Energiekonzern RWE mit der Bundesregierung auf Entschädigungen in Höhe von zwei Milliarden Euro geeinigt haben. Aus Laschets Sicht schultert sein Bundesland in den kommenden Jahren die Hauptlast des Kohleausstiegs.
Pokert der Mibrag-Eigner Daniel Kretinsky um Entschädigung?
Wie die Entscheidung ausfällt, dürfte auch vom tschechischen Mibrag-Eigner EPH abhängen. Weder Mibrag noch EPH haben sich bisher zur existenziellen Bedrohung der Bergbau-Firma geäußert. EPH besitzt auch knapp 42 Prozent der Anteile am Kraftwerk Schkopau. Die Tschechen sollen nach MZ-Informationen erfolglos versucht haben, Uniper die Mehrheit am Kraftwerk abzukaufen. Ohne die Einwilligung der Tschechen kann Schkopau aber nicht umgerüstet werden.
Dass sich EPH-Chef Daniel Kretinsky nicht geäußert hat, deuten Beobachter so: Er pokert. Kretinsky ist zuletzt beim Handelsriesen Metro eingestiegen und investiert in das Medienhaus ProSieben-Sat1. Er gilt als Stratege, der hohe Renditen erzielen will. Bei einer üppigen Entschädigung für Schkopau könnte er einem vorzeitigen Aus zustimmen. Haseloff würde dann seinen wichtigsten Verbündeten verlieren. (mz)