Klimaschutz Klimaschutz: Vorreiter Deutschland wird seine ehrgeizigen Ziele deutlich verfehlen

Berlin - Sein selbstgestecktes Ziel für 2020 wird der einstige Klimaschutz-Vorreiter Deutschland voraussichtlich deutlich verfehlen. Allerdings ließe sich die Blamage doch noch abwenden, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des renommierten Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik hervorgeht.
Demnach müssten in den kommenden zweieinhalb Jahren die ältesten und klimaschädlichsten Braunkohle-Kraftwerke des Landes abgeschaltet und die Leistung weiterer Anlagen moderat gedrosselt werden. Gleichzeitig müsse der Ausbau der Erneuerbaren wie ohnehin geplant voranschreiten. Die Versorgungssicherheit seit nicht gefährdet, heißt es in der Studie, die im Auftrag der Umweltschutz-Organisation Greenpeace entstand.
Reduktion von nur 32 Prozent erwartet
Fraunhofer-Forscher Norman Gerhardt sagte: „Technisch ist das Klimaziel 2020 problemlos erreichbar. Die versorgungssichere Lösung ist ein Dreiklang aus Abschaltung und Drosselung der ältesten Braunkohleblöcke sowie dem im Koalitionsvertrag beschlossenen Ausbau von Solar- und Windanlagen.“ Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters sagte: „Nicht die technischen Möglichkeiten fehlen, sondern allein der politische Wille.“
Deutschland will bis zum Jahr 2020 seinen Klimagas-Ausstoß um mindestens 40 Prozent unter das Niveau von 1990 drücken. Die Bundesregierung geht jedoch davon aus, dass dieses Ziel weit verfehlt wird und die Reduktion nur 32 Prozent betragen wird. Wie die zu erwartende Lücke möglichst weit geschlossen werden und wie Deutschland auf längere Sicht seine Treibhausgas-Emissionen noch weiter reduzieren kann, ist gegenwärtig Thema der Strukturwandel- und Kohlekommission.
Neuer Fahrplan bis Jahresende
Diese soll bis zum Jahresende einen Fahrplan für einen schrittweisen, sozial verträglichen Kohleausstieg vorlegen und Ideen für die Ansiedlung neuer Jobs in den deutschen Braunkohle-Revieren entwickeln.
Das Fraunhofer-Institut identifizierte insgesamt 14 Braunkohle-Blöcke, die bis 2020 abgeschaltet werden sollten. Im Rheinischen Revier westlich von Köln geht es um jeweils drei Blöcke der Kraftwerke Niederaußem, Weisweiler und Neurath. Im Lausitzer Revier wären zwei Blöcke des Kraftwerks Boxberg und drei in Jänschwalde betroffen. Alle zusammen haben eine installierte Leistung von rund 6 Gigawatt, was einem Drittel der deutschen Braunkohle-Kapazität entspricht.
Sollte die Bundesregierung die geplanten Sonder-Ausschreibungen für zusätzliche Windräder und Solar-Anlagen nicht rechtzeitig auf den Weg bringen, wäre nach den Analysen der Fraunhofer-Experten auch die Abschaltung jeweils eines Blocks der Kraftwerke Lippendorf und Schkopau notwendig. Diese Kraftwerke befinden sich im Mitteldeutschen Revier in der Nähe von Leipzig.
Abschaltung und Drosselung von Braunkohle-Kraftwerken reicht nicht
Die Abschaltung und Drosselung von Braunkohle-Kraftwerken in Deutschland werde nicht dazu führen, dass im gleichen Umfang mehr Treibhausgase im europäischen Ausland entstehen, heißt es weiter in der Studie. Vielmehr würden nationale Maßnahmen unterm Strich auch einen „positiven Effekt auf die gesamteuropäischen Treibhausgasemissionen“ haben.
Klimaschützer und Braunkohle-Gegner fordern bereits seit geraumer Zeit die rasche Abschaltung der ältesten und klimaschädlichsten Kohlekraftwerke. Dies ist aber hochgradig umstritten. Neben der Frage der Versorgungssicherheit muss auch geklärt werden, wo die Kohlekumpel und Kraftwerks-Beschäftigten künftig arbeiten sollen, wenn Erzeugungsanlagen stillgelegt werden und weniger Braunkohle für deren Befeuerung notwendig ist.
20.000 Menschen in der Branche noch beschäftigt
In der deutschen Braunkohlewirtschaft arbeiten nach Branchenangaben noch rund 20.000 Menschen, mit sinkender Tendenz. Im Jahr der deutschen Einheit waren noch rund 134.000 Männer und Frauen in dem Sektor tätig.
Das nächste Klimaziel, das Deutschland nach 2020 erreichen will, bezieht sich auf das Jahr 2030. Bis dahin soll der Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 55 Prozent sinken.
Auch wenn das 2020er-Ziel voraussichtlich verfehlt wird, soll das für 2030 „auf jeden Fall“ eingehalten werden, heißt es im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Deutschland steht hier auch bei seinen internationalen Partnern im Wort, denn schließlich hatte sich die Staatengemeinschaft Ende 2015 im Rahmen des Pariser Welt-Klimaabkommens dazu verpflichtet, ihren Treibhausgas-Ausstoß kontinuierlich zu verringern. Bis zur Mitte des Jahrhunderts soll die deutsche Volkswirtschaft weitgehend treibhausgasneutral sein.