Kinder unter Druck Kinder unter Druck: Mehr psychosomatische Störungen - Deutschland fehlen Kinderärzte

Eltern trennen sich öfter als früher, Väter und Mütter werden aufgerieben zwischen stressigem Job und Kindererziehung, das Geld ist knapp, Smartphone und Computer werden unkontrolliert benutzt - von diesen Entwicklungen werden Kinder seelisch so stark belastet, dass sie psychische Probleme bekommen. Häufig landen sie dann beim Kinderarzt, mit typischen psychosomatischen Krankheitsbildern: Bauchweh, Kopfschmerzen, Essstörungen oder Rückenproblemen. Nun schlagen die Kinderärzte Alarm.
Deutschland fehlen die Kinderärzte
„Wir haben kaum Ressourcen, um der steigenden Zahl von Patienten mit psychosomatischen Störungen und Erkrankungen nachhaltig zu helfen“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, am Freitag in Berlin. Aufgrund einer verfehlten Planung gebe es in Deutschland inzwischen zu wenig Kinder- und Jugendärzte. Mediziner fehlten nicht nur auf dem Land, sondern auch in Großstädten wie Berlin.
Der Verband machte allerdings auf einen Punkt aufmerksam, der auch bei Erwachsenen zutrifft: Anders als oft behauptet steigt die Zahl der psychischen Störungen nicht. Schon seit Jahrzehnten ist davon etwa jedes fünfte Kind betroffen.
Dennoch wächst der Behandlungsbedarf, was mehrere Gründe hat: Früher wurden psychische Krankheiten oft nicht erkannt, weil sie noch nicht so im Fokus der Mediziner und auch der Öffentlichkeit standen. Zudem sei den Kindern viel stärker als heute in den Familien oder auch in der Schule geholfen worden, sagte Klaus-Michael Keller vom Berufsverband der Kinderärzte. Wenn jedoch beide Eltern berufstätig und auch die Lehrer überlastet seien, fehle diese Hilfe, sagte Keller. „Die Kinder schlagen dann bei uns als Patienten auf“, sagte er.
Eltern können Probleme der Kinder nur schwer einschätzen
Wie wenig selbst die eigenen Eltern heutzutage die Probleme ihrer Kinder einschätzen können, zeigen Zahlen aus der „Bella“-Langzeit-Studie des Robert-Koch-Instituts, die der Verband präsentierte. In dieser Untersuchung wurden sowohl Eltern als auch deren Kinder befragt. Eines der Ergebnisse ist, dass die Eltern oft psychische Probleme wie Depressionen oder Ängste gar nicht bemerken. Im Unterschied dazu neigen Eltern dazu, ein bestimmtes sichtbares Verhalten ihrer Kinder, etwa Zappeligkeit, gleich als Krankheit (ADHS) zu betrachten.
Verbandspräsident Fischbach forderte die große Koalition auch auf, eine Zuckersteuer und eine Lebensmittel-Kennzeichnung mit einer Ampel sowie ein Schulfach „Gesundheit“ einzuführen. „Fehlernährung und Übergewicht sind nicht nur die Auslöser von körperlichen Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck, sie führen auch geradewegs zu psychischen Erkrankungen“ betonte der Mediziner.