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Kartellverdacht gegen Autobauer Kartellverdacht: Politiker auf Bundespressekonferenz

Von Markus Decker 24.07.2017, 14:06
Die Diskussionen über ein mögliches Kartell der großen deutschen Autobauer reißen nicht ab – die Politik bleibt allerdings zurückhaltend. (Archivbild)
Die Diskussionen über ein mögliches Kartell der großen deutschen Autobauer reißen nicht ab – die Politik bleibt allerdings zurückhaltend. (Archivbild) dpa

Berlin - Seit über 20 Minuten bemühen sich die Journalisten in der Bundespressekonferenz bereits, irgendeine halbwegs klare Aussage der Bundesregierung zu dem Kartellverdacht gegen die deutschen Autobauer zu erreichen. Doch die Sprecher eiern herum, erklären sich nicht für zuständig oder versuchen, die Redakteure mit Allgemeinplätzen abzuspeisen.

Dann verlangt ein Journalist Klartext: Seit Bekanntwerden des Verdachtes am Freitag habe niemand aus der Regierung die Chefs der in Rede stehenden Autokonzerne kontaktiert und Aufklärung verlangt? „Nur damit ich das so richtig verstanden habe: Man hat gelesen, aber nichts getan?“ Antwort der stellvertretenden Regierungssprecherin Ulrike Demmer: „Es geht jetzt darum, die Sachverhalte aufzuklären, um dann zu entscheiden, was zu tun ist.“ Aha.

Allenfalls das Wirtschaftsministerium kann am Montag zumindest ein wenig für Aufklärung sorgen. Staatssekretär Matthias Machnig habe noch am Freitag das Bundeskartellamt um Auskunft gebeten, sagte eine Ministeriumssprecherin. Es gebe keine Selbstanzeigen von Autobauern, sondern „Informationen“ von Herstellern an das Bundeskartellamt und an die europäischen Behörden. Die Federführung der Ermittlungen werde die EU-Kommission übernehmen.

Keine klaren Aussagen

Ob sich denn die Bundeskanzlerin nun von der Automobilindustrie betrogen fühle, nachdem sie sich immer wieder in Brüssel für deren Belange eingesetzt habe, fragt ein Journalist. Doch Vize-Regierungssprecherin Demmer lässt das abprallen: Sie habe ihren eigenen Aussage nichts hinzuzufügen. Und das Verkehrsministerium wiederholt immer wieder: Man sei zwar für vieles zuständig, aber nicht für das Kartellrecht. Im Übrigen habe man nur aus der Presse über das mögliche Kartell erfahren.

Hier war er wieder zu beobachten: Der Unwille der Regierung, die Automobilindustrie hart anzufassen. Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer warf am Montag insbesondere dem Kanzleramt eine zu enge Beziehung zur Autoindustrie vor. So habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Präsidenten des Verbandes der deutschen Automobilindustrie, den ehemaligen CDU-Politiker und Verkehrsminister Matthias Wissmann, selbst ausgesucht, sagte er. Doch nicht allein die CDU tut sich hier hervor: Wenn immer es um einen mögliche Belastung der Autoindustrie und damit angeblich um den Verlust von Arbeitsplätzen geht, greifen die Parteien ein. Die CSU kämpf für BMW, die SPD für VW (dort sitzt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil im Aufsichtsrat). Auch der grüne Regierungschef von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, tritt erkennbar auf die Bremse, wenn es gegen die Interessen von Daimler geht.

Auch Grüne schrecken zurück

Das vom letzten Grünen-Parteitag beschlossene Datum 2030, ab dem keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden sollen, wollten weder Kretschmann noch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir im Wahlprogramm sehen. Konsens mit den Konzernen, nicht gegen sie, heißt das Ziel. Nun allerdings zeigt sich, dass die Konzerne noch weniger vertrauenswürdig sind, als bislang angenommen. Lassen sich mit ihnen überhaupt Vereinbarungen treffen? Oder muss man da nicht ganz andere Saiten aufziehen?

Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer forderte noch am Wochenende eine Sondersitzung des Bundestags-Verkehrsausschusses. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter macht Druck auf die Bundesregierung. „Die Skandale der Autoindustrie sind auch politische Skandale“, sagte er dieser Zeitung. Angela Merkel habe „sich stets an die Seite der Bosse in der Autoindustrie gestellt und ihre schützende Hand über sie gehalten“.

Es ist aber wohl nicht nur die Politik, die eine große Nähe zur Automobilindustrie pflegt. Ob nicht auch die Gewerkschaften immer die Augen zudrücken, wenn es etwa um strengere Abgaswerte gehe, wird der Linken Politiker und frühere IG-Metall-Funktionär Klaus Ernst im Deutschlandfunk gefragt. Seine Antwort: „Also ich kann mir schon vorstellen, dass der eine oder andere, der da mit in Verantwortung ist, gesagt hat, wir dürfen da nicht zu rigoros vorgehen, weil unsere Arbeitsplätze gefährdet sind.“ Jetzt sehe man allerdings, dass die Jobs genau durch solche Machenschaften bedroht seien. Schließlich verhinderten Kartellabsprachen Innovationen. Dadurch verliere Deutschland die Führerschaft bei der Technik, was man bereits beim Thema Elektroauto sehen könne.